Verrechnet mit Pidgin-BWL

Na, da hat Vater Staat ja noch einmal richtig Glück gehabt. Die Inflation spült nach einer Meldung von Spiegel Online Milliarden in den Staatshaushalt und saniert so die Finanzen:

Über die Mehrwertsteuer fließen in diesem Jahr voraussichtlich rund 3,3 Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden. […]

Zur Begründung hieß es, die Mehrwertsteuer sei eine anteilige Steuer. Steigende Preise bei Waren und Dienstleistungen würden deshalb zu entsprechend höheren Mehrwertsteuer-Einnahmen führen. Angesichts der neuen Zahlen verlangte BdSt-Präsident Karl Heinz Däke von der Bundesregierung in der „Bild“-Zeitung, die deutschen Steuerzahler erheblich zu entlasten.

Und auch Parteifreunde fordern nun reflexartig die Senkung von Steuern. Sinnvoll ist das nicht.

Was jetzt mit den steigenden Einnahmen gemessen wird, ist lediglich eine Momentaufnahme. Dabei wird gern vergessen, die Steigerung der Ausgaben zu berücksichtigen. Denn Inflation bedeutet schlussendlich lediglich einen Kaufkraftverlust unserer Währung. Folglich muss für Produkte und Dienstleistungen derselben Qualität und Menge einfach mehr Geld bezahlt werden. Warum das, was für den normalen Bürger und die Wirtschaft gelten soll, für den Staat nicht gilt, ist logisch nicht begründbar.

Einen großen Teil der staatlichen Ausgaben betreffen Personalkosten. Hier werden die nächsten Tarifverhandlungen mit großer Wahrscheinlichkeit mindestens den Ausgleich der Inflation erbringen, wenn nicht die vermeintlich vollen Kassen noch größere Begehrlichkeiten wecken. Dazu kommt, dass der momentane weltweite wirtschaftliche Aufschwung die Nachfrage und damit die Preise nach oben treiben. So berichtet beispielsweise die Eckernförder Zeitung am 26. September dieses Jahres über die explodierenden Baukosten im schönen Ostseebad:

Die Ratsversammlung nickte gestern […] die Bereitstellung der überplanmäßigen Ausgaben in Höhe von 630 000 Euro für das OIC ab. […]

Der ursprüngliche Kostendeckel in Höhe von 1,45 Millionen Euro und später 1,74 Millionen Euro ist damit zum zweiten Mal angehoben worden. Ursache für die abermalige Verteuerung des Neubaus seien die zum Teil erheblichen Kostensteigerungen aufgrund von Preissteigerungen bei den Ausschreibungen aller Baugewerke, erläuterte Bürgermeister Jörg Sibbel. Allein im Straßenbau hätten sich die Kosten für die Beläge verdoppelt, die Preise für Metallschutzgitter für Baumscheiben seien innerhalb eines Jahres sogar um 300 Prozent gestiegen, verdeutlichte Sibbel dies an konkreten Beispielen. Zudem habe die Stadt die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent nachträglich einpreisen müssen.

Das dicke Ende zu den gestiegenen Einnahmen kommt also noch. Und jeder, der mit etwas Überlegung – also anders als Spiegel Online, wo einfach ohne Nachdenken eine Meldung der Bild über Aussagen des Bundes Deutscher Steuerzahler nachgeplappert wurde – an die Sache heran gegangen wäre, hätte selbst auf diese nicht gar so schwierigen Zusammenhänge kommen können. Zum Senken und Verteilen bleibt aus diesen Mehreinnahmen wohl nichts übrig.

Abschließende Bemerkung: Eine Entlastung der Steuerzahler ist dennoch dringend angezeigt. Dafür spricht unter anderem, dass die Einkommen für die verschiedenen Progressionsstufen seit Ewigkeiten nicht angepasst wurden (Kalte Progression). Die Inflation ist zwar tatsächlich die Grundlage dieser Problematik und damit auslösend für die Notwendigkeit von Änderungen der Progressionsgrenzen. Das hat allerdings nichts mit den konkreten Mehreinnahmen für den Staat zu tun, die Spiegel Online hier heran zieht.