Feb 192008
 

Immer mehr Linke zweifeln inzwischen an der Einheitsschule. Und auch die Ergebnisse des gegliederten Schulsystems sind nicht gülden. Was also tun? Die linke taz fordert das richtige: Entstaatlicht die Schulen!

Ich hätte nie gehofft, so etwas so deutlich und so richtig in einer linken Tageszeitung lesen zu dürfen, wie es die taz hier ausspricht:

Als Monopolist hat der Staat seine Unfähigkeit bewiesen, gute Schulen zu betreiben. Private Träger könnten die Bildungslandschaft bereichern.

Diese Einsicht ist die Grundlage meines Antrages auf dem vorletzten FDP-Landesparteitag, den ideologiebelasteten Politikern auf Landesebene die Bildungspolitik entziehen und diese zu kommunalisieren. Gleichzeitig sollen durch die Einführung von Bildungsgutscheinen Schulen in öffentlicher und privater Trägerschaft gleich gestellt werden. (Der Antrag ist leider in den Landesfachausschuss für Bildung überwiesen worden und ich bin ehrlich – bei aller persönlicher Wertschätzung für die Kollegen dort – nicht sicher, ob da etwas Sinnvolles wieder rauskommt. Aber man kann das ja wiederholen… 😉

Nach der Beschreibung der Tatsache, dass es längst die von Erdogan geförderten „Türkenschulen“ gäbe, in denen kaum noch ein Kind Deutsch spricht, legt die taz nach:

Bildungsinteressierte Eltern, die alles unternehmen, ihren Kindern den Gang in solche Anstalten zu ersparen, werden gern abschätzig als unsolidarisch gebrandmarkt. Jedenfalls so lange, bis man selbst in die Situation kommt, sein Kind in eine dieser Ghettoschulen schicken zu müssen. […] In der heimlichen Flucht mancher Eltern zeigt sich das Spiegelbild der Ghettoisierung – die Elitebildung an Spezial- oder Privatschulen.

Dann noch ein kurzer Tritt gegen Frau Ypsilanti, die ihren Sohn selbst auf eine „Privatschule“ schickt. Und den nächsten Absatz muss ich mit einem lauten „Ja!“ einfach komplett zitieren, in der Hoffnung dass die Rechtsabteilung der taz gnädig mit dem Umfang der Zitate aus diesem gnadenlos guten Artikel umgeht:

Nach den Pisa-Studien zogen linke Pädagogik-Engagierte besonders gegen das dreigliedrige Schulsystem zu Felde. Diese Kritik an der äußeren Homogenisierung der Lerngruppen durch die Einteilung der Kinder nach ihren vermeintlichen Begabungen ist berechtigt – folgt sie doch wundersamer Weise stets dem sozialen Status der Eltern. Die Alternative allerdings wird gern bunt ausgemalt als die Idee einer staatlichen Einheitsschule für alle. Es gehört jedoch keine hellseherische Gabe dazu vorherzusagen: Die bloße Abschaffung von Hauptschulen und Gymnasien wird keines der Probleme lösen. Vielleicht wird es eine Nivellierung geben, aber diese wird nicht mit einem steigenden, sondern einem sinkenden Leistungsniveau verbunden sein. Dass Sozialkompetenz einfach dadurch gestärkt wird, dass man ehemalige Gymnasiasten mit ehemaligen Hauptschülern zusammensperrt, ist eine geradezu fahrlässige Illusion.

Fazit der taz:

Statt weiter auf Homogenisierung zu setzten, wäre es an der Zeit, an eine Alternative zu denken: Die Pluralisierung des Schulsystems ernsthaft voranzutreiben.

Und noch einmal muss ich an die Gnade der taz-Rechtsabteilung appellieren:

Die spannendsten pädagogischen Konzepte werden an Schulen in freier Trägerschaft gelebt […]. Dass Schulen in freier Trägerschaft Einrichtungen für die Schönen und Reichen seien, ist eine von Linken hartnäckig behauptete, aber empirisch widerlegte Mär. Allerdings stimmt es, dass es bildungsinteressierte Eltern […] sind, die ihre Kinder auf Einrichtungen schicken, die Geld kosten und für die man sich selbst anmelden muss. Der Vorwurf, dass es sich um elitäre, weil schulgeldpflichtige Privatschulen handele, ist aber deshalb infam, weil es der Staat in Gestalt der Bundesländer ist, der diesen Schulen in freier Trägerschaft die vollständige Refinanzierung verweigert – und so den größten Vorwurf gegen "Privatschulen", die Schulgeldpflicht, selbst produziert.

Und weil jetzt eh schon fast alles egal ist, auch noch dieses annähern komplette Zitat eines Absatzes:

Staatliche Schulen sind kostenlos, Schulen in freier Trägerschaft nehmen Schulgeld. Der gesellschaftliche und pädagogische Preis, den wir dafür zahlen ist hoch. Weder fördert das System der staatlichen Schule noch belohnt es Innovationen. Staatliche Schulen können sich etwa in aller Regel ihr Personal nicht aussuchen, sondern bekommen es vom Kreisschulamt zugewiesen. […] Eines der größten Hindernisse für gute Schule ist heute die planwirtschaftliche Personalpolitik.

Einen hab‘ ich noch, einen hab‘ ich noch:

Die Ghettoisierung ist vielmehr schon da, und die staatliche Einheitsschule ist in der pluralen Gesellschaft die denkbar ungeeignetste Antwort auf das Dilemma. Denn sie stellt ihr Versagen täglich neu unter Beweis. Ob jedes der pluralen Schulkonzepte seine Sache besser macht, sei damit nicht behauptet. Aber dass man es noch schlechter kaum machen kann, das scheint offensichtlich. Insofern lohnen hier pädagogische Experimente, nur dann kann man sehen, welche Konzepte tatsächlich tragfähiger sind als andere.

Die abschließende Forderung der taz ist so annähernd sofort unterschriftsfähig:

Statt Privatschulen zu verteufeln, gilt es öffentliche Schulen in unterschiedlicher Trägerschaft mit unterschiedlichsten pädagogischen Konzepten zu etablieren. Schulen sollten sich tatsächlich durch ihre pädagogischen Konzepte auszeichnen – als Schulen mit Türkisch als erster Sprache oder Montessori-Schulen oder konfessionelle Schulen oder Waldschulen oder was auch immer. Das muss den Staat als Träger mancher Schulen gar nicht ausschließen. Aber es sollten gleiche Bedingungen für alle Anbieter gelten – damit alle Eltern die besten Schulen für ihre Kinder aussuchen können.

Liebe Leute von der taz, bitte mehr von solchen gnadenlos begnadeten Artikeln, die frei von Ideologie die Situation in einem der wichtigsten Zukunftsthemen unserer Gesellschaft beschreiben. Und eine Verbeugung vor Henning Schluss, der diesen Artikel verfasst hat. Ich bin sprachlos. Noch ein paar Artikel auf diesem Niveau und ich abonniere Euch. Versprochen!

Einen Dank auch an SteffenH, der diesen Link so unscheinbar in diesem Artikel auf B.L.O.G. versteckt hat, dass ich fast nicht draufgeklickt hätte. You made my day!

  2 Antworten zu “Das taz-Plädoyer für eine plurale Bildungslandschaft: Entstaatlicht die Schulen!”

  1. So hatte ich Ihren Artikel auch nicht verstanden. So, wie ich Ihren Artikel verstanden habe, geht es Ihnen um Chancengleichheit zwischen staatlich und privat betriebenen Schulen. Die wünsche ich mir auch.

    Meine Forderung, die Zuständigkeit für die Schulen in pädagogischer Hinsicht dem Land zu entziehen und den Kommunen zuzuschlagen, resultiert aus meiner Skepsis, die Ideologie aus der Bildungspolitschen Debatte im Landtag heraus zu bringen. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass die Entscheidung über die Gründung und den Betrieb von Schulen möglichst nahe bei den Betroffenen, also Eltern und Schülern stattfinden sollte, damit diese darauf Einfluss nehmen können.

    Das entbindet das Land allerdings nicht von der Verantwortung, den gesetzlichen Rahmen, Prüfungsverordnungen, (Grund-)Lehrpläne und ähnliches zu entwickeln und die Einhaltung der Chancengleichheit zu kontrollieren. Damit ist der Staat nicht raus aus der Bildung, konzentriert sich aber auf die wesentlichen Bereiche. Im Ergebnis wird damit beispielsweise die Vergleichbarkeit von Abschlüssen hergestellt und die Möglichkeit des Wechsels von Schulen für die Schüler weitestmöglich sicher gestellt, soweit die unterschiedlichen Schulmodelle so etwas überhaupt hergeben.

  2. Damit wollte ich jedoch nicht gesagt haben, dass der Staat in der Bildung gar nichts zu suchen hätte. Aber die Vielzhl der Steuerinstrumente die es da gibt, können gewährleisten, dass er subsidiäre Träger gewinnt, die ein vielfältiges Bildungsangebot abdecken und zugleich gewährleisten, daß zentrale Standards in der Schule nicht unterschritten werden. z.B. Indoktrinationsverbot, z.B. Qualifikation der Lehrkräfte, Vergleichsarbeiten, Kompetenzerhebungen, individuelle Förderung etc.

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