Feb 242008
 

Gestern habe ich im Nachgang zur Bürgerschaftswahl in Hamburg tatsächlich einmal die Krawallsendung Anne Will gesehen. Da saßen also sechs teilweise von gutem Benehmen völlig befreite und ebenso in Teilen testosterongeschwängerte Männer und übten sich darin, anderen Leute ins Wort zu fallen und sie zu überbrüllen. In jeder Schulklasse in sozialen Brennpunkten geht es gesitteter zu. Die Moderatorin, nach deren Namen die Sendung benannt ist, war phasenweise mit der Diskussionsleitung für diesen Haufen Flöhe völlig überfordert.

Aber das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Dass mit Bodo Ramelow der Vertreter Linkspartei kollektiv von den anderen Vertretern angegangen wurde, damit musste er rechnen. Wer gegen alle ist, muss auch den Gegenwind von allen vertragen können. Konnte Herr Ramelow auch, der lediglich wenige Male die Contenance verlor. Journalistisch aber der absolute Griff ins Klo war die Frage von Frau Will, wer denn Schuld daran sei, dass die Linken in immer mehr Parlamente einzögen. Sie ließ deutlich durchblicken, dass sie diese Entwicklung als etwas ansieht, das unbedingt zu vermeiden sei. Weshalb, das ließ sie offen und eigentlich stand ihr diese Wertung auch gar nicht zu. Damit verließ sie die gebotene Neutralität wie mehrfach auch an anderer Stelle, genau so wie bereits vorher in der Berliner Runde, in der Moderator Peter Frey den Generalsekretär Dietmar Bartsch ebenfalls in Art eines politischen Gegners anging.

Mich erinnert das alles an die Zeit, als die Grünen auf der politischen Bühne erschienen. Da wurde dieselbe Nummer abgezogen: Diskriminierung in den (staatlichen) Medien, Attacken aller Parteien. Letzteres ist in Ordnung, allerdings nicht immer zielführend. Die generelle Ablehnung aller Vorschläge der Linkspartei, nur weil sie von dort kommen, die Ausgrenzung dieser Partei ist ja immerhin auch die Ausgrenzung eines nicht unerheblichen Wählerpotentials, die ja gute Gründe zu haben glauben, eben diese Partei zu wählen – eine Ausgrenzung von immerhin zwischen 20 und 30 Prozent der Wähler in einigen Ländern Ostdeutschlands.

Aber wie man als Journalist so tief sinken kann, sich zum Beteiligten der politischen Auseinandersetzung zu machen, wie Frau Will und Herr Frey getan haben, ist mir völlig unverständlich. Damit begibt man sich nicht nur auf das Niveau journalistischen Verhaltens im ehemaligen anderen Deutschland. Nein, man munitioniert die Linken sogar mit Möglichkeiten, sich als diskriminierte Underdogs darzustellen.

Die Linkspartei hat Rezepte von gestern für die Probleme von morgen. Die Linkspartei polarisiert und bietet demagogische „Lösungen“, die nicht funktionieren werden. Alles das ist unstrittig. Aber damit muss man sich politisch auseinandersetzen. Das allerdings ist nicht Aufgabe des Journalismus. Der nämlich sollte darüber berichten, aber sich nicht in diese Auseinandersetzung aktiv und parteilich einmischen. Das genau dieses allerdings ausgerechnet bei den Öffentlich-Rechtlichen passiert, finde ich schon sehr bedenklich.

Ich werde meine Entscheidung, mir solch erbärmlichen Krawall bei Abwesenheit fast jedes journalistischen Berufsethos und auf dem Niveau des Dschungelcamps in der Regel nicht anzusehen, nach dieser Erfahrung wohl kaum überdenken.

  Eine Antwort zu “Mein Gott, wer guckt so einen Sch… bloß jede Woche?!?”

  1. Große Worte spricht er heute, der Peter Struck: Für uns ist ziemlich klar, dass eine Zusammenarbeit mit der Linken auch nach der Bundestagswahl überhaupt nicht in Frage kommt – aus innenpolitischen Gründen, vor allen Dingen aber auch aus außenpolitischen

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