Jun 222008
 

Beim Fussball gibt es faire Verlierer, die ihre Niederlage anerkennen, und solche, für die nach Spielende der Schiedsrichter, der Ball, der Platzzustand oder sonstige Umstände Schuld an der Niederlage sind. Solche Menschen also, die im Zweifel am so genannten „Grünen Tisch“ mit herbei konstruierten Ausreden sich das in ihren Augen richtige Ergebnis zurecht biegen möchten. Alles, was es an gesellschaftlichen Unsitten so gibt, findet sich natürlich auch in der Politik.

So vermeldete die Eckernförder Zeitung in ihrer gestrigen Ausgabe, dass sich jetzt ein ehemaliger Ratsherr der CDU daran macht, die Niederlage im Wahllokal durch großzügige und gewagte Auslegungen von Rechtsvorschriften im Nachgang zu beheben. Nun ist es ja so, dass das Recht zu solchen Wahleinsprüchen aus gutem Grund besteht. Deshalb ist prinzipiell gegen einen Einspruch gar nichts einzuwenden. Wenn man allerdings als CDU-Mitglied genau mit den Argumenten argumentiert, die der CDU-Landesverband und die CDU-Landtagsfraktion am Beispiel Kiel zu Recht als falsch hinstellt, ist das in meinen Augen schon eine merkwürdige Denke.

In meinen Augen geht es hierbei nicht um die Sache, sondern schlicht und einfach darum, unter Ausblendung der Tatsachen, Mehrheiten zu konstruieren. Insofern habe ich auf den Einspruch von Herrn Kibies, den ich im übrigen nicht für die Initiative einer Einzelperson halte, als Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion reagieren müssen. Schlussendlich allerdings wird sich durch diesen Einspruch nichts ändern. Denn wenn das formale Verfahren bis zum Ende durchlaufen würde, stellte spätestens ein Gericht die ursprüngliche Sitzverteilung wieder her.

Zwei zentrale Themen möchte ich mit diesem Beitrag beleuchten, nämlich auf welche Weise durch einen Sitzverlust der FDP das Wahlergebnis tatsächlich manipuliert würde und weshalb es sicher ist, dass ein Gericht gar nicht anders entscheiden könnte, als den dritten Sitz wieder zuzuteilen.

In unserem Wahlsystem werden die kleinen Parteien durch die Sitzuteilung nach D’Hondt immer schon benachteiligt. Bei der Abbildung einer Anzahl von Stimmen, im Beispiel von Eckernförde 8538 Stimmen, auf deutlich weniger Sitze (Eckernförde: 27 Sitze in der Ratsversammlung) ergibt sich immer einer Vergöberung. In unserer Stadt ergibt sich nach D’Hondt die folgende Sitzverteilung:

Partei: CDU SPD FDP Grüne SSW Linke
Stimmen: 3213 2266 690 868 861 640
Prozent: 37,83 % 26,54 % 8,08 % 10,17 % 10,08 % 7,50 %
Sitze: 14 9 3 3 3 2
Prozent: 41,18 % 26,47 % 8,82 % 8,82 % 8,82 % 5,88 %

Da die CDU trotz Ihres Ergebnisses 14 von 15 Direktmandaten errang, erhielt sie 3 Überhangmandate – auf gut Deutsch: Nach der Prozentzahl standen ihr lediglich 11 Sitze zu. Damit hätte Sie die absolute Mehrheit in der Ratsversammlung erreicht. Da das nicht geht, werden die Sitze der übrigen Parteien durch Ausgleichsmandate (In Eckernförde 4: SPD 2, SSW 1, FDP 1) so lange aufgefüllt, bis das Ergebnis nach D’Hondt wieder stimmt. Dadurch ergeben sich 34 Sitze in der aktuellen Ratsversammlung, statt der 27 Regelsitze.

In den Ausschüssen (hier diejenigen mit 11 Sitzen) wird das Missverhältnis zwischen Wahlergebnis und Sitzverteilung noch deutlich krasser:

Partei: CDU SPD FDP Grüne SSW Linke
Stimmen: 3213 2266 690 868 861 640
Prozent: 37,83 % 26,54 % 8,08 % 10,17 % 10,08 % 7,50 %
Ausschusssitze: 5 3 1 1 1 0
Prozent: 45,45 % 27,27 % 9,09 % 9,09 % 9,09 % 0,00 %

Interpretiert man die Regelung zu Überhang- und Ausgleichsmandaten so falsch wie die SPD in Kiel oder Herr Kibies in Eckernförde, wird das Missverhältnis zwischen Wahlergebnis und Sitzen in Ausschüssen annähernd lächerlich:

Partei: CDU SPD FDP Grüne SSW Linke
Stimmen: 3213 2266 690 868 861 640
Prozent: 37,83 % 26,54 % 8,08 % 10,17 % 10,08 % 7,50 %
Sitze: 14 9 2 3 3 2
Prozent: 42,42 % 27,27 % 6,06 % 9,09 % 9,09 % 6,06 %
Ausschusssitze: 6 3 0 1 1 0
Prozent: 54,55 % 27,27 % 0,00 % 9,09 % 9,09 % 0,00 %

Damit bekäme die CDU knappe 5 % in der Ratsversammlung geschenkt und erhielte die absolute Mehrheit in den Ausschüssen bei einem Wahlergebnis von 37,83 %. Da das nicht geht, würde ein weiterer Sitz zugeteilt, sodass die CDU in den Ausschüssen immer noch auf 50 % käme:

Partei: CDU SPD FDP Grüne SSW Linke
Stimmen: 3213 2266 690 868 861 640
Prozent: 37,83 % 26,54 % 8,08 % 10,17 % 10,08 % 7,50 %
Sitze: 14 9 2 3 3 2
Prozent: 42,42 % 27,27 % 6,06 % 9,09 % 9,09 % 6,06 %
Ausschusssitze: 6 4 0 1 1 0
Prozent: 50,00 % 33,33 % 0,00 % 8,33 % 8,33 % 0,00 %

Damit könnte die CDU zwar nicht allein Politik gestalten, aber immerhin alle Anträge anderer Parteien alle blockieren – bei einem Wahlergebnis von 37,83 %. Und solch eine Situation möchte Herr Kibies gern herbei führen. In den Ausschüssen würden aus dem Ergebnis von zusammen 64,37 % für SPD und CDU zusammen 83,33 % und aus den 35,83 % für die vier kleinen Parteien 16,66 %. So etwas nenne ich eine Manipulation des Wahlergebnisses.

Es geht übrigens auch anders: Wenn man anstelle der Anwendung von D’Hondt zur Berechnung der Sitzzuteilung Hare-Niemeyer verwendete, käme folgendes Ergebnis zu Stande:

Partei: CDU SPD FDP Grüne SSW Linke
Stimmen: 3213 2266 690 868 861 640
Prozent: 37,83 % 26,54 % 8,08 % 10,17 % 10,08 % 7,50 %
Sitze: 14 10 3 4 4 3
Prozent: 36,84 % 26,32 % 7,89 % 10,53 % 10,53 % 7,89 %
Ausschusssitze: 4 3 1 1 1 1
Prozent: 36,36 % 27,27 % 9,09 % 9,09 % 9,09 % 9,09 %

Der Preis für die höhere Genauigkeit der Abbildung des Wahlergebnisses wäre eine Ratsversammlung in einer Größe von 38 Sitzen. Zum gleichen Ergebnis gelangt übrigens auch die Zuteilung mit dem Verfahren von Sainte-Laguë/Schepers. Allerdings haben die großen Parteien auf Landes- und Bundesebene aus klar ersichtlichen Gründen keinerlei Interesse, ein Wahlsystem umzusetzen, dass dadurch gerechter würde, indem es sie nicht mehr bevorzugt behandelt.

Bleibt noch die Frage, woher ich die Sicherheit nehme, dass die Eckernförder FDP – sofern das Wahlprüfungsverfahren auf kommunaler Ebene dem Einspruch stattgäbe – spätestens bei einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung Recht bekäme. Dieses lässt sich eindeutig erklären:

Das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz (GKWG) regelt in § 10 Absatz 4 eine Begrenzung für Überhang- und Ausgleichsmandate mit dem Satz:

[…] Die Anzahl der weiteren Sitze darf dabei jedoch das Doppelte der Anzahl der Mehrsitze nicht übersteigen.

Nun könnte man sich zu der Idee versteigen, damit sei gemeint, dass die „weiteren Sitze“ die Summe aus Ausgleichs- und Überhangmandaten sein, letztere oben also mit „Mehrsitzen“ benannt. Dann wäre in der Tat die Zahl der zusätzlichen Sitze in der Ratsversammlung auf 6 beschränkt, somit müsste ein Sitz entfallen. Dieses wäre, da die CDU die 14 Sitze direkt gewonnen hat, womöglich der Sitz der FDP.

Diese Sicht kann sich aber nur derjenige erlauben, der einschlägige Gerichtsurteile zu diesem Thema nicht kennt oder nicht kennen will. So macht das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit dem Aktenzeichen 6 A 237/05, in dem es um das Nachrückverfahren in einer Ratsversammlung geht, folgende Aussage, die die obigen Begriffe klar definiert, und hat den oben diskutierten Gegenstand auch eindeutig entschieden:

[…] Dabei darf allerdings die Anzahl der weiteren Sitze das Doppelte der Anzahl der Mehrsitze nicht übersteigen (§ 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG). Die Mehrsitze sind dabei nicht auf die weiteren Sitze anzurechnen. Vorliegend durften deshalb aufgrund der zwei von der CDU errungenen Mehrsitze (Überhangmandate) bis zu vier weitere Sitze (Ausgleichsmandate) vergeben werden.

Auch der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein nimmt unter Aktenzeichen 2 L 25/00 – ebenfalls zum Thema eines Nachrückers in ein Überhangmandat – eine ebenso eindeutige Begriffsdefinition vor:

[…] Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 GKWG wird dieses Verfahren dadurch begrenzt, dass in diesem Verfahren die Zahl solcher weiteren Sitze (Ausgleichsmandate) nicht mehr als das Doppelte der Anzahl der Mehrsitze (Überhangmandate) betragen darf.

Auf Basis gültiger Gerichtsurteile kann man also wissen, dass bei 3 Mehrsitzen (Überhangmandaten) es bis zur doppelten Anzahl – also 6 – weiterer Sitze (Ausgleichsmandaten) kommen kann. Wer sich also nur minimal mit den rechtlichen Grundlagen beschäftigt hat, weiß, dass die Wahlleitung in Eckernförde richtig entschieden hat und in Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung gar nicht anders entscheiden konnte. Der Einspruch ist somit eindeutig unberechtigt und die FDP-Fraktion wird am Ende des Tages mit 3 Sitzen in der Eckernförder Ratsversammlung vertreten sein.

  5 Antworten zu “Neues von den Wahlverlierern”

  1. Ich werde einmal versuchen, meine Eindrücke der letzten Ratsversammlung vom 30. September 2008 zu schildern. Das ist natürlich eine ganz persönliche Sicht der Dinge, ohne jeden Anspruch auf Objektivität. Wenn man die Sitzung chronologisch abgeht, stand a

  2. Da lob ich mir den Hess. VGH, dessen Geschäftsstelle verschickt PDFs und verlangt nur 2,50 € pro Entscheidung.

  3. Ich habe es hier irgendwo in Papier rumfliegen, aber leider keinen Scanner zur Verfügung. Mal kucken, ob ich das irgendwie anders geregelt bekomme…

  4. So macht das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit dem Aktenzeichen 6 A 237/05, in dem es um das Nachrückverfahren in einer Ratsversammlung geht, folgende Aussage, die die obigen Begriffe klar definiert, und hat den oben diskutierten Gegenstand auch eindeutig entschieden:

    Haben Sie das Urteil? Wenn ja, wäre es nett, wenn Sie es online stellen könnten.

  5. Da ich gestern keine Zeit dafür gefunden habe, kommt der Bericht von der konstituierenden Sitzung der Eckernförder Ratsversammlung erst heute. Den größten Teil der ersten Ratsversammlung nahmen die Verabschiedung der ausscheidenden Ratsmitglieder sowie di

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