Gestern haben sowohl die Financial Times Deutschland als auch Telepolis und der Spiegel in ihren Online-Angeboten über die Umfrage im Auftrage der Friedrich-Ebert-Stiftung berichtet. Ergebnis dieser Umfrage war das mangelnde Vertrauen der Menschen in unsere parlamentarische Demokratie.
Es gibt eine Menge Dinge, die auch ich daran kritisiere, wie Politik heute funktioniert. Aber was ich inzwischen fast echt nicht mehr ertragen kann, ist auf der einen Seite dieses Dauergeflenne, wie schrecklich Politik doch sei. Denn dieses wird auf der anderen Seite dann dadurch konterkariert, dass die Erwartungshaltung besteht: Liebe Politik, regle doch bitte alles für mich.
Und weil die Politik das nicht macht (und auch gar nicht kann), weil sie ungesunde Strukturen entwickelt, weil einem die Entscheidungen nicht passen, können sich 47 Prozent vorstellen, nicht an der nächsten Bundestagswahl teilzunehmen. Was für Flaschen! Anstatt zu sagen, dann packe ich jetzt zu, engagiere mich selbst: Kapitulation. Und das ist kein Phänomen der Politik: Elternvertretung, Vereine, Parteien, Gewerkschaften – all diese Organisationen leiden zunehmend unter der Verweigerung der Bundesbürger, sich selbst für ihre Interessen einzusetzen.
Da bleibt es natürlich nicht aus, dass man überall die gleichen Gesichter wieder trifft, immer mit denselben Personen zusammen arbeitet. Denn diejenigen, die nicht immer gleich losheulen, wenn es einmal nicht klappt, werden immer weniger – sind immer dieselben. Wenn dadurch Geklüngel entsteht, liegt das eher in der Verantwortung derjenigen, die durch eigene Verweigerung zum Klüngeln förmlich auffordern, als bei denjenigen, die es dann tatsächlich tun. Was nicht heißen soll, dass Klüngel zu tolerieren sei – genau das Gegenteil ist der Fall!
Ach, ich vergaß: Die Strukturen von Vereinen und Parteien sind natürlich nicht so, dass die Weinerlinge dort mitarbeiten könnten. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass sie zu doof oder feige sind einfach kein Interesse daran haben, dann alternative Organisationsformen selbst zu entwickeln. Da müsste man sich ja so richtig engagieren und sogar nachdenken. Da ist Jammern und Beleidigtsein doch viel billiger.
So richtig knackig zusammengefasst hat die Ursachen Frank Karl, Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung:
Aus persönlichem Misserfolg wird Staatsferne.
Ist ja auch angenehmer, wenn man für sein persönliches Versagen andere als Schuldige hinstellen kann.
Immerhin: 62 Prozent glauben, dass die Demokratie in Deutschland „gut“ oder „sehr gut“ funktioniert; 78 Prozent finden, dass unserer Gesellschaft verteidigenswert ist und zwei Drittel sind der Meinung, dass die Demokratie die anstehenden Probleme in Deutschland lösen kann. Allerdings interessiert sich nur ein knappes Drittel für Politik – die anderen sind selbst schuld und müssen dann halt damit leben, was sie gegebenenfalls in Unkenntnis der Fakten gewählt haben. Damit kann ich mir auch einige Wahlergebnisse der Vergangenheit deutlich besser erklären.
Update: Auf der Achse des Guten kommentiert Richard Wagner dieses Thema unter dem Titel „Der Umfragen-Deutsche und seine Freiheit„.
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