Die EU ist eine Organisation, die mit Sicherheit einen erheblichen Teil zum Frieden in Europa beigetragen hat. Sie ist auch attraktiv, was sich daran zeigt, dass immer mehr Staaten sich um eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft bewerben. Dennoch befindet sich die EU zur Zeit in einer Krise. In der alten Form ist sie kaum noch handlungsfähig und der Entwurf einer Verfassung ist gescheitert – vor allem dort, wo die Bürger darüber abstimmen konnten. Jetzt sollte ein komplexes Vertragswerk an die Stelle der Verfassung treten, und auch dieses Vorhaben ist so gut wie gescheitert. Und zwar wieder genau dort, wo man die Bevölkerung befragt hat – in Irland. Andernorts hat man sich besser gar nicht erst getraut, die eigenen Bürger zu befragen – beispielsweise bei uns in Deutschland. Die Vermutung liegt nahe, dass man vor dem Ergebnis einer Volksabstimmung zu Recht gehörig Bammel hatte.
Angesichts dieser Situation bricht an vielen Stellen nun im politischen Establishment – gelinde gesagt – die pure Panik aus. Ob nun über ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, über ein Kern-Europa geredet wird, oder verzweifelt der Ausschluss oder Austritt Irlands und Polens aus der EU gefordert wird. Dazu musste sich natürlich auch der unvermeidliche Daniel Cohn-Bendit bei Spiegel Online unter dem Titel „Alle zwei Wochen diskreditiert irgendein Spinner die EU“ auslassen. Ein Interview, welches deutlich zeigt, dass die Brüsseler EUkratie so ziemlich den Bezug zur Realität verloren hat.
So äußert sich der Politiker der vorgeblich so basisdemokratischen Grünen beispielsweise über Referenden:
Aber eine richtige Antwort wird man nur bekommen, wenn man diese Frage tatsächlich stellt. Nicht irgendwelche Referenden, die niemanden interessieren. Das ist doch Gequake zum Nulltarif, ohne irgendwelche Konsequenzen.
Und danach schiebt er dann – logisch bis dort hinaus – folgende Sätze nach:
Nein, ich bin mit einer Vorlaufzeit von ein, zwei Jahren für ein Referendum, das nach der weiteren Integration der EU fragt. Und wer dann Nein sagt, ist eben draußen. Punkt.
Oder kurz: „Wenn Ihr nicht so wollt, wie ich, dann geht doch dahin, wo der Pfeffer wächst.“ Basisdemokratie wird mir immer suspekter. Nicht als Idee an sich, aber schon in der Umsetzung. Mir kommt dabei immer öfter der Orwell mit den gleicheren Schweinen in den Kopf.
Jetzt aber wird es richtig lustig, Cohn-Bendit scheint sich in Rage zu reden:
Ich habe keine Lust mehr, pausenlos von irgendwelchen Typen erpresst zu werden. Leute wie dieser eine Zwilling in Polen, dieser Lech Kaczynski, die wollen die Butter nicht nur essen, sondern auch noch verkaufen – das geht nicht. Alle zwei Wochen diskreditiert irgendein Spinner die EU. Wer nicht mitziehen will, der wäre nach so einem Referendum eben draußen – von mir aus auch Österreich. Allerdings glaube ich, dass ein Ja sehr viel wahrscheinlicher wird, wenn man die Frage so klar stellt.
Gemerkt? Nicht die Spitze gegen den Kartoffelkopf! Die ist berechtigt. Nein, der Zusammenhang zwischen dem Satz „Ich habe keine Lust mehr, pausenlos von irgendwelchen Typen erpresst zu werden.“ und dem „Wer nicht mitziehen will, der wäre nach so einem Referendum eben draußen.“ Also ich nenne dieses Vorgehen doch ganz einfach und direkt einmal „Erpressung“: Stimmt gefälligst wie ich es will, oder zieht Leine. Das ist die Aussage.
Der Europa-Grüne fantasiert sich dann zusammen, dass bei solchen Erpressungs-Referenden mehr als ein Kern-Europa zusammen käme:
Ich möchte weiterhin ein stark föderales Europa, mit wie vielen Mitgliedern auch immer. Frankreich, Deutschland, Italien, die Benelux-Staaten – der Ursprung der EU wäre sicher dabei.
Ausgerechnet Cohn-Bendit kann sich nicht erinnern, wie die Franzosen in einem Referendum den Verfassungsvertrag abgelehnt haben? Ausgerechnet Cohn-Bendit glaubt, dass man die Franzosen mit Erpressung zum gewünschten Votum treiben könnte? Und er geht davon aus, dass dann auch Deutschland dabei wäre? In welcher Welt lebt dieser Mann eigentlich?
Das lässt sich leicht feststellen. Auf die Frage, weshalb er davon ausgeht, dass Deutschland bei einem Referendum mit „Ja“ stimmen würde, stellt er fest:
Weil in Deutschland, genau wie in Frankreich oder Italien, der europäische Gedanke verwurzelt ist. Die Klimaproblematik beispielsweise kann nicht nationalstaatlich gelöst werden, das versteht man dort.
Die anderen mögen vielleicht doof sein, aber Deutsche, Franzosen und Italiener werden ein Referendum wegen der Klimakatastrophe schon durchwinken. Paralleluniversum?
Ich frage mich nach diesem Interview allen ernstes, von welchen „Spinnern“ er wohl gesprochen haben mag, welche die EU „diskreditieren“. Zumindest einer, der mit Weltfremdheit und Borniertheit glänzt, ist mir seit diesem Interview bekannt.
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