Bisher habe ich die Kadermentalität ja eher bei der Volkspartei mit dem „C“ im Namen wahrgenommen, wo streng nach Vorgabe der Partei- oder Fraktionsspitze abgestimmt und der einzelne Vertreter oder Abgeordnete lediglich als Stimmvieh betrachtet wird. Andersdenkende sind dort nur Querulanten. Es scheint allerdings so, als müsste ich mein Weltbild noch ein wenig feiner justieren.
Den Ausschlag dazu gibt heute vor allem ein Artikel in Spiegel Online, in dem es um den erneuten Versuch von Andrea Lügsieandie geht, ihr Wahlversprechen zu brechen und sich von der Linken zur Ministerpräsidentin in Hessen wählen zu lassen – inhaltlich habe ich zum Vorgehen der hässlichen hessischen SPD für den Moment genug geschrieben. Was mich wirklich erschüttert, ist die Sichtweise von Klaas Hübner, Sprecher des Seeheimer Kreises, und mit mir in der Beurteilung der Zustände in seinem hessischen Landesverband vermutlich nicht gar zu weit auseinander. In besagtem Artikel jedenfalls steht:
Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Klaas Hübner, verlangte ein größeres Mitspracherecht der Bundespartei bei der Regierungsbildung in den Ländern. Die Ereignisse in Hessen zeigten, dass es besser wäre, wieder die Regelung von vor 1995 einzuführen und Koalitionsfragen nicht alleine in den Landesverbänden zu entscheiden, wird Hübner in der „Rheinpfalz am Sonntag“ zitiert.
Das ist doch mal ein Demokratie-Verständnis! Anstatt, dass die unteren Gliederungen in Summe die Politik der höheren bestimmen und kontrollieren, möchte er in seinem absolutistischen DemokratiePolitikverständnis durchsetzen, dass die Großkopferten vorschreiben, was vor Ort passiert. Dass es in den beiden Volksparteien so gelebt wird, ist bekannt. Dass es jetzt bei der SPD auch (wieder) organisatorisch so eingerichtet werden soll, beweist einmal mehr, dass die SPD ihren Niedergang fortsetzen möchte. Nicht nur dort verlottert die demokratische Kultur. Dafür sind sowohl Frau Lügsieandie von links als auch Herr Hübnher von rechts gute Beispiele.
Fast Off-Topic: ZEIT Online setzt sich mit der Situation in Hessen auseinander – auf eine Art, die ich journalistisch sehr nachahmenswert finde. Und zwar mit diesen beiden Artikeln:
- Christoph Seils: Ypsilanti will es wissen (14.08.2008, 19.04 Uhr)
Der Weg der hessischen SPD ist richtig. Mittelfristig wird die gesamte Partei davon profitieren, wenn sie die linke Konkurrenz in die Realpolitik zwingt. Ein Kommentar - Michael Lühmann: Ypsilantis Machtrausch (15.08.2008, 16.45 Uhr)
Der Weg der hessischen SPD ist falsch. Ypsilanti versucht, ein Projekt zu verwirklichen, das gar keins sein dürfte. Damit beschädigt sie nicht nur sich, sondern auch den künftigen Kanzlerkandidaten der SPD. Ein Kommentar
Eben nicht „Zwei Stühle – Eine Meinung„, sondern wirklich Pluralität in der Meinungsbildung. Und dabei sind beide Artikel gut geschrieben und lesenswert. Applaus!
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