Okt 012008
 

Die heutige Pressemitteilung des Schleswig-Holsteinischen Elternvereins e.V. legt diese Vermutung nahe:

Der Schülerstrom kippt – weg von der Gemeinschaftsschule
Anspruch und Wirklichkeit – eine Gemeinschaftsschule in Schleswig-Holstein

Heikendorf / Kiel – „Wir wären gerne angenehm überrascht worden, aber die Wirklichkeit bestätigt unsere Bedenken,“ sagte Dr. Ulrich Kliegis, Vorsitzender des Schleswig-Holsteinischen Elternvereins e.V. heute in Kiel. „Die Landesregierung – und leider auch der Schulträger – haben das Bildungsangebot auf der Ostseeinsel Fehmarn schwer beschädigt. Dieses trifft nicht nur die Kinder mit einer Gymnasial-Empfehlung, sondern alle anderen durch die Insellage mit wenig Wahlmöglichkeiten in dieser Sammelschule zusammengepferchten Schülerinnen und Schüler besonders hart. Der erhoffte Schülerstrom zur Gemeinschaftsschule ist in die umgekehrte Richtung, von ihr weg, gekippt, und er wird sich noch verstärken.“

Vor der Eröffnung der Inselschule gab es auf Fehmarn neben einer Haupt- und einer Realschule ein Gymnasium, das – gegen den Protest vieler Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrer – in die neugegründete Gemeinschaftsschule eingeschmolzen wurde.

Vor wenigen Tagen meldeten die Lübecker Nachrichten, daß bereits 25 Schülerinnen und Schüler von der Inselschule, der neuen Gemeinschaftsschule auf Fehmarn, zum Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Oldenburg / Holst. gewechselt sind. Zusätzlich haben sich 12 Schülerinnen und Schüler aus Heiligenhafen statt im nähergelegenen Burg / Fehmarn auch in Oldenburg angemeldet.

Der Schleswig-Holsteinische Elternverein ist dem Hintergrund dieser Meldung nachgegangen. Dieses auch im Blick auf eine aktuelle Diskussion im Plöner Kreistag, wo eine Gruppe von Kreisvertretern anstrebt, das in der Trägerschaft des Kreises arbeitende Schulzentrum in Lütjenburg in eine Gemeinschaftsschule nach Fehmaraner Vorbild umzubauen. Der vormalige Kreistag hatte hier bereits beschlossen, daß die Haupt- und Realschule zu einer Regionalschule – gegenüber einer Gemeinschaftsschule dem noch immer etwas geringeren Übel – zusammenwachsen sollen. Die drei bislang sehr erfolgreichen begabungsentsprechend gefächerten Schularten (Haupt- und Realschule und ein Gymnasium) in Lütjenburg entstanden übrigens vor vielen Jahren durch Auflösung einer Gesamtschule. Ehemalige Schüler, Eltern und Lehrer loben noch heute den daraus resultierenden Qualitätszuwachs in allen drei Schularten gegenüber der vormaligen Sammelschule, wie er auch von allen PISA-Studien bestätigt wurde. Das Schulgesetz läßt eine Gemeinschaftsschule unter dem gleichen organisatorischen Dach wie ein Gymnasium nicht zu, eine Regionalschule darf durchaus mit einem Gymnasium eine organisatorische Einheit (z.B. ein Schulzentrum) bilden.

Zurück nach Fehmarn und Oldenburg:
Das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Oldenburg/Holst. hat einen erheblichen Schülerzuwachs aus dem bisherigen Schülerstamm des früheren Inselgymnasiums Fehmarn erfahren. Dieser läßt sich in zwei große Bereiche unterteilen:

Während bislang die Eltern der mit einer Gymnasialempfehlung ausgestatteten Grundschulabgänger aus Heiligenhafen das frühere, jetzt in der dortigen Gemeinschaftsschule aufgegangene Inselgymnasium in Burg / Fehmarn wählten, haben sich in diesem Jahr (Schuljahr 08/09) erstmals alle zwölf Gymnasialempfohlenen für das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Oldenburg entschieden.

Darüber hinaus haben seit Eröffnung der Gemeinschaftsschule bis heute 25 Schülerinnen und Schüler der Fehmaraner Inselschule ebenfalls nach Oldenburg gewechselt. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Klassenstufe, in der es um die zweite Fremdsprache geht. Wer Latein wählen wollte, kann dieses – entgegen früherem Brauch am Inselgymnasium – an der Gemeinschaftsschule nicht mehr. Die reduzierten Möglichkeiten – nicht nur in der zweiten Fremdsprache – betreffen auch die „auswachsenden“ Jahrgänge des früheren Gymnasiums, die in der Gemeinschaftsschule eingebunden sind.

Die Wechselmotive der Schülerinnen und Schüler sind insgesamt sehr vielfältig. Ein großer Teil der Gymnasiallehrer wartet auf seine beantragte Versetzung, viele sind bereits versetzt. So werden Gymnasiasten heute auch schon von Haupt- und Realschullehrern unterrichtet. Nichts gegen deren Können, aber ausgebildet sind sie für andere Schwerpunkte. Die Umstrukturierungen führen zu neuen Lerngruppen, die undiszipliniert und damit lernfeindlich sind, beklagt wird das damit verbundene Fehlen anspruchsvollen Unterrichts. Die nicht mehr im selben Maße wie an einem grundständigen Gymnasium verwirklichbare Qualität der erreichten Unterrichtsziele war in den meisten Fällen jedenfalls der entscheidende Grund für den Wechsel.

Aus dem Gymnasium Oldenburg ist zu hören, daß die dort gern willkommengeheißenen Ex-Inselschüler ausschließlich leistungswillige und -starke Schülerinnen und Schüler sind. Damit bestätigt sich, daß die Gemeinschaftsschule als Sammeltopf für alle Kinder dem Anspruch auf Bildungsgerechtigkeit nicht gerecht werden kann. Mit dem Weggang der „Stärkeren“ fällt aber auch die Grundlage des Konzepts, daß die Schwächeren von den Stärkeren lernen sollen, weg. Bildungsgerechtigkeit ist eben nicht Bildungssozialismus, wo keiner mehr wissen darf als der unvermögendste, sondern, daß jedes Kind seinen individuellen Fähigkeiten und Begabungen entsprechend bestmöglich gefördert wird. Im Ergebnis führt das, auch an den Sammelschulen, je nach Begabungsspektrum und Leistungsfähigkeit und –willen, zu unterschiedlichen Schulabschlüssen. Im einzelnen haben auch die begabungsgerecht gefächerten Schularten da unstreitig Defizite, sind aber den Einheits-Sammelschulen, wie sie auch von der Hamburger Schwarz-Grün-Koalition angestrebt werden, auf jeden Qualifizierungsabschluß bezogen, haushoch überlegen. Nichts ist ungerechter als die Gleichbehandlung Ungleicher.

Der SPIEGEL berichtete seinerzeit anläßlich der mit viel Brimborium zelebrierten Eröffnung der Inselschule begeistert vom dort geplanten Doppelunterricht. Damit war auch der SPIEGEL auf das akribisch-zynisch gewählte Wort „Tandemunterricht“ hereingefallen. Das besagt zwar, daß eine Klasse von zwei Lehrern geleitet wird, aber es sagt im Verständnis der Wortschöpfer im Kieler Bildungsministerium nicht, daß die beiden Lehrer jemals gleichzeitig in ihrer Klasse arbeiten. Wie auf dem Tandem, hübsch hinter- bzw. nacheinander. Und wenn ein Radler fehlt, sitzt EVA auf dem Sattel, EigenVerantwortliches Arbeiten, unter Schülern und vielen Lehrern ein Synonym für Unterrichtsausfall.

Die Abwanderung von der Gemeinschaftsschule hat übrigens mittlerweile ein derart umfangreiches Maß erreicht, daß die „Autokraft“ einen zusätzlichen Schulbus, der die Schülerinnen und Schüler von Fehmarn nach Oldenburg und zurück bringt, einsetzen mußte. Der Kreis Ostholstein erstattet die Schulbuskosten, weil er eingesehen hat, daß die Gemeinschaftsschule einem gymnasialen Anspruch, wie er in Oldenburg angeboten wird, nicht gerecht wird. – Von Schülern, die vom Festland nach Fehmarn in die Insel-Gemeinschaftsschule streben, ist hingegen nichts bekannt.

Es sei auch an das vom Verband deutscher Realschullehrer bislang sehr erfolgreich auf den Weg gebrachte Volksbegehren zur Wiedereinführung der Realschule erinnert. Sowohl die überreichten Unterschriften als auch die Inhalte der Volksinitiative, des ersten Schrittes zum Volksentscheid, sind mittlerweile vom Landtag geprüft und für rechtens erklärt worden. Es zeichnet sich ab, daß der Volksentscheid im Umfeld oder gleichzeitig mit der nächsten Landtagswahl stattfinden wird. Bei den Umfragen in Schleswig-Holstein (zuletzt zur Kommunalwahl im Frühjahr 2008) sprechen sich unverändert 70% der Befragten für den Erhalt der Realschulen aus.

Und auch die vom Schleswig-Holsteinischen Elternverein mitinitiierte Allianz für ein besseres Schulgesetz, ebenfalls auf das Ziel eines Volksentscheides hinarbeitend, ist weiterhin aktiv. Wenn auch einige Partner aus unterschiedlichen Interessenlagen gewechselt haben, geht die inhaltliche Arbeit an dem Vorhaben weiter.

Die Schulen müssen aus dem Würgegriff der Politik und ideologisch begründeter Parteiinteressen befreit werden und eine echte Selbständigkeit erlangen. Würde die Politik in gleicher Weise in die Medizin hineinreden wie in die Schulbildung, wären wir alle längst tot,“ schloß Kliegis seine aktuelle Bestandsaufnahme.

Wenn die Ausführungen des Elternvereins den Tatsachen entsprechen – und davon ist auszugehen, dann ist der nächste Schritt von BildungsministerinMinisterin Ute Erdsiek-Rave absehbar. Sie wird veranlassen, dass die Entscheidungsfreiheit der Eltern, die bei den roten Sozialdemokraten ja noch nie eine nennenswerte Rolle gespielt hat, eingeschränkt wird. Und die schwarzen Sozialdemokraten werden in der so genannten „Großen Koalition“ wie immer in Bildungsfragen einknicken und in gewohnter Manier ihre eigenen Wähler verprellen. Ich hätte nie erwartet, dass ausgerechnet Bayern in der Bildungspolitik für uns Liberale einmal ein Mutmacher werden könnte. Mal sehen, wie lange Ministerpräsident BecksteinCarstensen sich nach der nächsten Landtagswahl ob des von der CDU maßgeblich mitverantworteten Bildungs-GAUs noch halten kann. Meine Vorfreude auf den Landtagswahlkampf steigt von Tag zu Tag…

Kommentare sind derzeit nicht möglich.