Es gibt Dinge, die sind ärgerlich. Und dann gibt es Dinge, die sind ärgerlich und überflüssig. In die letzte Kategorie fallen die Äußerungen von Wolfgang Kubicki, unseres FDP-Spitzenkandidaten bei der schleswig-holsteinischen Landtagswahl 2009, zur Finanzierung des Steuerkonzepts der FDP. Ärgerlich sind die Aussagen, weil sie absehbar wieder dazu genutzt werden, den Liberalen das Image einer unsozialen, kaltherzigen Partei der Besserverdienenden anzuhängen. Das müsste man akzeptieren, wenn Kubickis Aussagen wenigstens der Programmlage der FDP entsprächen. Überflüssig sind seine Aussagen aber genau deshalb, weil sie nicht Gegenstand liberaler Programmatik sind.
Vorgeschichte
Eigentlich hätte man nach den Landtagswahlen des letzten Wochenendes annehmen sollen, dass auch der letzte Liberale ganz schnell vom hohen Ross absteigt, weil nämlich noch so gar nichts gewonnen ist. Mir hatten schon die Aussagen, die FDP wolle in Schleswig-Holstein jetzt 14 Prozent erzielen, nicht so richtig gefallen. Das hatte ich bei Facebook wie folgt kommentiert:
Ich persönlich halte nicht viel davon, vorher mit Prozentzahlen zu handeln. Der Respekt vor dem Wähler bedeutet für mich, sich im Wahlkampf richtig reinzuhängen und dann das Ergebnis zu akzeptieren, gleich wie es konkret aussieht.
Klar ist auch: Bildung ist ein Schwerpunkt unseres Wahlkampfes. Das ist richtig und gut! Aber man kann der FDP kaum ein Ministerium abhandeln, was sie zur Zeit gar nicht innehat.
Ich werde immer ganz unruhig, wenn ich das Gefühl bekomme, in meiner Partei könnten wieder einige vor Kraft kaum laufen. Und sofort frage ich mich dann, ob deren Erinnerungsvermögen nicht mehr bis zur Landtagswahl 2005 langt. Auch da haben wir ein mögliches gutes Ergebnis mit der entsprechenden Arroganz kurz vor der Wahl noch vergeigt.
Wenn man das also weiß, dann überlegt man sehr genau, wie man sich gibt. So habe ich selten in den Jahren meiner Mitgliedschaft einen zurückgenommeneren und ruhigeren Guido Westerwelle erlebt als im laufenden Bundestagswahlkampf. Der Mann scheint seine Lektion gelernt zu haben. Und Westerwelle wirkt immer gut präpariert, keine Frage scheint ihn unvorbereitet zu treffen. Eine Standardfloskel von ihm ist: „Sie können mir schon glauben, dass ich unser Programm besser kenne als Sie.“ Und die wirkt, weil es stimmt.
Das Kontrastprogramm dazu lieferte gestern Abend auf N24 in der Sendung „Was erlauben Strunz?“ Wolfgang Kubicki. Die Zeit beschreibt es – ein wenig hämisch, ein wenig ungläubig – so:
Landeschef Kubicki hat sich verplappert: Er stellte eine höhere Mehrwertsteuer in Aussicht. Die Bundes-FDP dementiert. Sie fürchtet um ihr Image als Steuersenkungspartei.
Claus Strunz traute seinen Ohren nicht. „Habe ich das gerade richtig verstanden?„, fragte der Talkshow-Moderator nach. Auch Petra Pau kicherte ein bisschen in sich hinein: Endlich steht die FDP auch mal zu einer unpopulären Idee, schien sie zu denken. Endlich beginnt die Partei, die seit Monaten im Aufwind ist, zu erklären, wie sie ihre versprochenen Steuerentlastungen nach der Bundestagswahl finanzieren will.
Was war passiert? Wolfgang Kubicki hatte erklärt, dass man zur Gegenfinanzierung Senkung von Steuern eben die Mehrwertsteuer erhöhen könne. In Summe – so versicherte er – würde netto allerdings für die meisten mehr übrig bleiben. So bleiben zwei Fragen zu klären:
1. Ist die Aussage Kubickis durch die Programmatik der FDP gedeckt?
Die Antwort auf diese Frage ist ein klares: Nein. Auf der Website des Steuerexperten der Bundespartei, Dr. Hermann Otto Solms, finden sich die entsprechenden Fakten. Das ist unter anderem der Beschluss zum Steuerkonzept der FDP vom Bundesparteitag Mai/Juni 2008. In ihm findet sich kein Hinweis auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Und auch in den Vorschlägen zur Gegenfinanzierung ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht genannt. Die Mehrwertsteuer wird allenfalls in dem Zusammenhang erwähnt, dass die FDP davon ausgeht, durch verschärfte Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs 2-3 Mio. Euro jährlich mehr an Steuern einzunehmen.
Selbstverständlich existiert auch kein geheimer Masterplan an den Beschlüssen eines Bundesparteitages vorbei. Einige Kommentatoren und Mitbewerber schüren gerade diesen Verdacht. Wie sollte das überhaupt funktionieren in einer Partei, in der mehrere hundert Delegierte in öffentlicher Sitzung eine politische Programmatik besprochen haben? Das mag vielleicht bei CDU und SPD möglich sein, wo die Programmatik im Vorstand beschlossen und von Delegierten kommentarlos abgenickt wird – wenn sie dem gemeinen Parteivolk nicht einfach als beschlossen vorgestellt wird. Vorgänge wie bei der SPD, wo Kritikern der Zensursula-Bschlüsse auf einem Bundesparteitag einfach die Debatte verwehrt wird, würden bei der FDP zu einer offenen Revolte führen. In dieser Hinsicht machen die Freien Demokraten ihrem Name dann doch alle Ehre. Ergo: Es existiert definitiv kein geheimer Masterplan zur Erhöhung der Mehrwertsteuer an der Beschlusslage der Partei vorbei.
2. Sind die Vorschläge Kubickis zielführend?
Hier ist die Antwort genau so klar wie bei der ersten Frage: Nein. Die Mehrwertsteuer ist eine Steuer, die auf die Verwendung bereits versteuerten Einkommens angewendet wird. Damit ist sie per se schon problematisch. Hinzu kommt, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gerade in einer Phase der wirtschaftlichen Lähmung schädlich wäre, weil sie den Konsum und damit einen möglichen Aufschwung abwürgen würden. Vor allem aber hat sich die FDP zum Ziel gesetzt, der arbeitenden Mitte der Bevölkerung mit einer Steuerreform Entlastung zu verschaffen – hierbei besonders den Familien mit der steuerlichen Gleichbehandlung von Kindern und Erwachsenen bei den Freibeträgen. Unstrittig ist, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vor allem kleine und mittlere Einkommen belastet, am stärksten aber Familien. Kurz: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer widerspräche vollkommen der Zielsetzung der angestrebten Steuerreform. Sie ist unsinnig, schädlich und auf das deutlichste abzulehnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein FDP-MdB nach einer solchem Maßnahme in seinem Wahlkreis oder in seinen Kreis- und Ortsverbänden noch blicken lassen könnte.
Fazit
Wolfgang Kubicki ist ein hochintelligenter Spitzenkandidat und anerkannter Experte im Bereich der Innenpolitik. Steuerpolitik ist augenscheinlich weniger sein Thema und wohl auch nicht seine Stärke. Das macht nichts, denn kein Politiker muss das gesamte Programm seiner Partei in epischer Breite und voller Tiefe beherrschen – zumal es sich hierbei vornehmlich um ein Thema der Bundes- und nicht der Landespolitik handelt. Dafür hat man bestimmte Fachleute. Aber wenn ich in einem Thema nicht sicher bin, dann muss ich mir vor allem als Spitzenkandidat doch überlegen, was ich da raushaue.
Selbstverständlich hat Wolfgang Kubicki das Recht auf eine eigene Meinung, die nicht durch Parteitagsbeschlüsse gedeckt ist. Die kann und soll er auch gern auf Bundes- und Landesparteitagen vertreten. Aber wenn er vier Wochen vor einer Wahl als Vertreter der FDP in einem Pressetermin zur Positionierung der FDP gefragt wird, dann darf er seine Privatmeinung auch sehr gern für sich behalten, anstatt sie als Parteimeinung zu verkaufen.
Jetzt müssen also unzählige Wahlkämpfer auf den Straße in den nächsten Tagen und Wochen über unausgegorene Ideen mit verunsicherten Bürgern diskutieren. Alle diese Parteimitglieder kämpfen auch dafür, dass Wolfgang Kubicki mit einer möglichst starken Fraktion erneut in den Schleswig-Holsteinischen Landtag einziehen kann. Da wäre dann doch vielleicht auch einmal ein bisschen Demut, Überlegung und Zurückhaltung von seiner Seite angezeigt!
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