Also, bei uns in der FDP gibt es ja den Frank Schäffler. Der ist Abgeordneter im Deutschen Bundestag und ganz böse und marktradikal. So radikal, dass er verlangt, dass auch Verträge eingehalten werden, die von erklärten Europa- und Euro-Gegnern unterzeichnet wurden. Diese bösen Menschen haben beispielsweise eine Nichtbeistands-Klausel in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, den Vertrag von Maastricht und den Vertrag von Lissabon geschmuggelt. Und weil in diesen Vertragswerken als Grundlage der europäischen Zusammenarbeit eben diese Nichtbeistandsklausel vorgesehen ist, die besagt, dass kein Staat der EU für die Schulden eines anderen Staates einstehen darf, haben in der Vergangenheit alle Parteien im Bundestag diese Verträge so heftig abgelehnt, dass sie auch eine Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon verhinderten. Womöglich wäre dieser Vertrag sonst noch angenommen worden – oder so ähnlich.
Anyway. In diesen Verträgen waren weitere widerwärtig Euro- und Europa-feindliche Regelungen festgelegt, wie beispielsweise die EU-Konvergenzkriterien. So widerwärtig Euro- und Europa-feindlich waren die, dass sich praktisch kein Staat in Europa daran gehalten hat. Bis auf diese blöden Griechen! Und was haben die nun davon? Eine Schuldenkrise! Eine ausgewachsene Schuldenkrise! Obwohl – eigentlich handelt es sich gar nicht um eine Schuldenkrise, sondern um eine Systemkrise. Das sagen zumindest die Linken, und die kennen sich mit Systemkrisen bekanntlich aus. Aber das wäre ein anderes Thema. Jedenfalls den Griechen, denen muss geholfen werden. Und weil die so darunter gelitten haben, dass sie sich stur an diese Euro- und Europa-feindlichen Regelungen gehalten haben, muss man jetzt Sorge dafür tragen, dass diese Regelungen aus dem Weg geräumt werden.
Die politische Klasse kann diese Situation im Großen und Ganzen vernünftig einschätzen. Ganz anders sieht die Situation im gemeinen Pöbel (vulgo: „Volk“ oder „Souverän“) aus. Das ungebildete Pack sollte man zu diesem Thema besser nicht befragen. Die werden schon noch lernen, was gut für sie ist. Allerdings hat sich in der FDP, diesem Hort des Neoliberalismus, Nationalismus, Rechtspopulismus – kurz: alles Bösen – ein ganz besonders böser Euro- und Europafeind hervorgetan. Dem reicht die Ablehnung der schönen Eurobonds nicht aus, der will, dass Verträge eingehalten werden! Hat man Worte? Und weil nicht einmal die Führung der FDP – also: die Führung des Horts alles Bösen – soooo böse ist, hat der Frank Schäffler eine perfide Idee. Er will einen Mitgliederentscheid durchführen. In einer demokratischen Partei! Unerhört! Und weil der Frank Schäffler allein gar nicht böse genug sein kann, hat er sich zusammengetan mit der Ausgeburt der Hölle, dem ultranationalen Rechtsausleger der FDP: Burkhard Hirsch!
Da besteht dann natürlich Anlass zur Panik im Führungsgremium des Horts des Bösen. Zuerst durchschaut Jörg-Uwe Hahn das finstere Ränkespiel. „Zutiefst undemokratisch“ sei ein Mitgliederentscheid. Völlig unvorstellbar in der Tat, dass in einer demokratischen Partei diese über ihre Mitglieder eine Willensbildung vornimmt, mit der sich die Vertreter in den Parlamenten auseinandersetzen müssen. Allgemein erwartet wird, dass Jörg-Uwe Hahn demnächst aus denselben Gründen die Abschaffung von Parteitagen fordern wird. Da diese Auswüchse des Totalitarismus aber zur Zeit noch fortbestehen und Schäffler und Hirsch weder durch den Einsatz von Knoblauch noch durch Drohung mit dem Kreuz dazu gebracht werden können, von ihrem teuflischen Tun abzulassen, springt selbstlos Daniel Bahr in die Bresche – Gesundheitsminister und Mitglied des Bundesvorstands. Unter völliger Hintanstellung der Privilegien seines Regierungsamtes entlarvt er die Unterstützer des Mitgliederentscheides auf WDR 2:
„Der Mitgliederentscheid, wie er von den Euro-Rebellen vorgelegt worden ist, kann nicht die Antwort auf die Euro-Krise sein. Und deswegen ist es richtig, dass der FDP- Bundesvorstand dann einen Alternativantrag vorlegen will. Und mich treibt natürlich um, wenn einige der Initiatoren offensichtlich auch die Tradition der FDP als pro-europäische Partei, als Partei, die den Euro-Erfolg will und die Europas Erfolg will, da auch infragestellen. Deswegen werde ich mich klar gegen die inhaltliche Initiative der Euro-Rebellen aussprechen.“
Damit ist klar: Selbst die böse FDP will den Euro retten und die bösen Euro- und Europa-feindlichen Auswüchse aus den genannten Vertragswerken tilgen. Und die Rebellen müssen aufgerieben, müssen vernichtet werden. So macht man das mit Rebellen. Und deswegen werden die Fußtruppen losgeschickt. Und die Ergebnisse dieses zielgerichteten und effektiven Kampfs kann man dann auf Facebook bewundern:
Liebe Frau xxx,
ich unterstütze den Mitgliederentscheid keinesfalls. Ich halte es für unverantwortlich, in einer derart schwierigen Frage wie die der Euro-Rettung die zu befragen, die zwar alle eine entschiedene Meinung, aber nur in einer ganz kleinen Minderheit die kompetente Fachkenntnis haben. Nein, so hochkomplexe Themen eignen sich nicht für Plebiszite, – auch wenn sie “nur” parteiintern sind. Hier qualifizierte Meinungen zu äußern, erfordert ein immenses Wissen über makroökonomische Zusammenhänge. Das kann das “Parteivolk” nicht leisten. Da können Sie gleich Zeitungskommentare auswerten.
Ich bin ziemlich entsetzt über dieses wohl nur als Wahlkampfmanöver zu sehende Vorhaben. Was machen Sie, wenn Ihnen die Antworten nicht in den Kram passen?
Ich grüße Sie – recht erzürnt – aus Franken.
Kurt Weber
PS: Diese eMail lesen einige TOPs der unterfränkischen FDP mit.
Kurt WEBER
Mitglied FDP-Bezirksvorstand Unterfranken
Mit der eleganten Schärfe des Floretts werden dort die Rebellen gestellt und zur Strecke gebracht. Deutlich wird, dass das niedere Parteivolk allenfalls dazu taugt, Plakate zu kleben oder am sich am Wahlstand die Füße plattzustehen und dem Pöbel (s.o.) vorgestanzte Formulierungen in die Ohren und vorgefertigte Papiere in die Hand zu drücken. Über das für „qualifizierte Meinungsäußerungen“ nötige „immense Wissen über makroökonomische Zusammenhänge“ verfügen ausschließlich Funktionäre vom Bezirksvorstand aufwärts. Und wenn das „Parteivolk“ aufmuckt oder etwa gar mitreden möchte, dann werden „recht erzürnt“ auch „einige TOPs“ informiert. Weil, so geht das ja auch nicht. Man ist ja schließlich demokratisch und liberal!
Und überhaupt: „Was machen Sie, wenn Ihnen die Antworten nicht in den Kram passen?“ Ein in der Demokratie überhaupt nicht vorgesehenes Ereignis! Antworten und Meinungen, die einem nicht in den Kram passen! Das ist ja wie bei den Nazis! Ach was, schlimmer! Wir. Sind. Ordentliche. Demokraten. Und. Da. Kommt. So. Etwas. Nicht. Vor. Niemals!
So. Und nachdem das alles geklärt wäre, können wir jetzt bitte wieder weiter Demokratie spielen. Wir sind schließlich eine liberale Partei. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
3 Antworten zu “Demokratur – oder ein Lehrstück in Parteipolitik”
Kommentare sind derzeit nicht möglich.
[MARKED AS SPAM BY ANTISPAM BEE | Server IP]
[…] die Stimmung wechselt einfach nicht ins pro-Euro-Lager. Es regen sich sogar leichte Widerstände hier und dort. Diese können zwar im Moment noch von höchsten Stellen als „nicht hilfreich“ […]
IIks Verträge oder eher Verträge sabber sabber was können wir dagegen machen?
[…] Christian SoederEinige FDP-Funktionäre finden es nicht so toll, dass die normalen FDP-Mitglieder mitreden wollen: Liebe […]