Am Wochenende war der grandiose Bundesparteitag der FDP. Und seit diesem Wochenende ist der Wille der Bundesführung und ihrer Claqueure, den Funktionärskohorten aus der Parteistruktur endgültig klar. Die FAZ stellt richtig fest: „Folgt die Parteibasis ihrer Führung, stimmt sie für den ungebremsten Weg in die Europäische Transferunion. So viel wenigstens ist nach diesem Frankfurter FDP-Parteitag klar.“ Und wenn die Veranstaltung auch wenig ermutigend war für die Mitglieder der Parteibasis – Generalsekretär Christian Lindner hat wieder Mut gefasst, seinen Kampf gegen Vernunft und Bevölkerung, dafür für Transferunion, institutionalisierten Rechtsbruch und Abkehr von liberalen Grundwerten fortzusetzen. Deshalb beglückt er die FDP-Mitglieder heute mit einem Brief, den ich dem geneigten Leser nicht vorenthalten möchte.
Doch ich möchte diesen Brief nicht nur vorstellen. Ich finde, er verdient eine Antwort:
Sehr geehrter Herr Fink,
Sehr geehrter Herr Lindner,
am vergangenen Wochenende kam die FDP in Frankfurt am Main zu einem außerordentlichen Bundesparteitag zusammen. Wir haben – entgegen allen Vorhersagen in den Medien – einen selbstbewussten Parteitag voller Diskussionsfreude erlebt. Er war dabei zu jedem Zeitpunkt fair im Umgang und konstruktiv in der Sache. Der Parteitag strahlte Entschlossenheit aus, die Phase der Selbstkritik und Nabelschau endgültig zu beenden und stattdessen jetzt auf die Herausforderungen zu schauen, die sich unserem Land stellen. In seinem Schlusswort fasste unser Bundesvorsitzender Philipp Rösler die Ergebnisse und den Verlauf des Parteitages treffend zusammen: „Während alle anderen Parteien nach links rücken, bleibt eine Partei in der Mitte: das ist die Freie Demokratische Partei.“
ich freue mich für Sie, dass Sie ein angenehmes Wochenende hatten. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass unsere Parteiführung in Frankfurt im Kreise von mehrheitlich Parteifunktionären ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden zu haben scheint. Es wäre schön, wenn man Ansätze dieses Selbstbewusstseins in der Zusammenarbeit mit dem schwarzen Koalitionspartner auch gelegentlich aufblitzen sähe. Ebenso habe ich mitbekommen, dass die Parteiführung weiterhin jede Selbstkritik anlässlich einer aus liberaler Sicht verheerenden Bilanz der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode vermissen lässt. Die von Ihnen nach der Landtagswahl in Berlin angekündigte „Demut“ bleibt das, was frustrierte Liberale vor Ort aus Berlin schon nicht mehr anders erwarten: eine Worthülse. Die Entschlossenheit, mit denen liberale Werte mit Füßen getreten werden, zeichnet diese Partei inzwischen aus. Während alle anderen Parteien nach links rücken, bleibt eine Partei beliebig und ohne Kontur: das ist die Freie Demokratische Partei.
Das Jahr 2011 werden wir also im aufrechten Gang beenden. Über die Ergebnisse des Parteitags möchte ich Sie heute im Einzelnen informieren und diese dabei auch aus meiner Sicht bewerten.
Ich hoffe, dass die Basis dieser Partei dafür sorgen wird, dass die Liberalen aufrecht ins nächste Jahr gehen können. Der Mitgliederentscheid ist die letzte Chance dafür. „Aufrecht“ – das möchte ich Ihnen gern noch erklären – ist, wenn man den Widrigkeiten der Politik, politischen Gegnern und unwilligen Koalitionspartnern die Stirn und nicht den gebeugten Rücken bietet.
1. Verantwortung für ein starkes und stabiles Europa
Die Optionen des Mitgliederentscheids spielten eine zentrale Rolle in der Aussprache zur Rede des Bundesvorsitzenden. Alle 87 Wortmeldungen wurden aufgerufen. Die auf hohem Niveau geführte Diskussion machte deutlich: Keine andere Partei diskutiert so offen und differenziert über die Stabilisierung unserer Währung wie wir. Die Freie Demokratische Partei ist und bleibt eine durchweg pro-europäische Partei.
Leider war beispielsweise der Vorsitzende der Bundestagsfraktion – wie so oft – intellektuell nicht in der Lage, auf einem hohen Niveau mitzureden. Ein wenig Faktenwissen wäre schon gut, wenn der Frontmann der FDP im Parlament zum Thema spricht, dass zurzeit die Bürger des Landes, die Presse und vor allem die Mitglieder der eigenen Partei bewegt. Angesichts dieses Auftritts darf man sich schon sorgen, auf welcher Basis im Bundestag die Entscheidungen fallen.
Die große Mehrheit der Wortmeldungen unterstützte Antrag B, den Plan des Bundesvorstandes zur Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise. Immer wieder betonten die Redner, dass es in der aktuellen Diskussion um mehr geht als nur um den Europäischen Stabilitätsmechanismus „ESM“. Es geht darum, welche Vision wir als Liberale von Europa haben und ob wir Europa mit gestalten wollen oder nicht:
Dass die Mehrheit der Funktionäre die Position des Bundesvorstands unterstützt, ist wenig erstaunlich. Die Leute wollen noch etwas werden in der Partei. Gehen Sie einmal an die Basis, reden Sie mit den einfachen Mitgliedern. Wenn Sie die nicht in üblicher Manier „totzureden“ versuchen, sondern etwas ganz Ungewöhnliches machen, werden Sie eine Sicht der Dinge erhalten, die Bewohnern im Raumschiff Berlin in der Regel verwehrt bleiben. Hören Sie einfach einmal zu. Bisher habe ich fast ausschließlich Zuspruch für meinen Einsatz für Antrag A erhalten, selbst von Leuten, bei denen ich es normalerweise nicht erwartet hätte, die der FDP sonst kritisch entgegen treten. Sogar die setzen in dieser Situation auf uns. Und ich muss Ihnen widersprechen: Es geht nicht darum, welche Vision wir als Liberale von Europa haben, sondern ob wir überhaupt noch eine Vision für Europa haben, die liberale Werte beinhaltet.
Wollen wir in einer sich globalisierenden Welt zurück zu nationalen Währungen und der finanzpolitischen Isolierung einzelner Staaten mit unabsehbaren Risiken für unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze in Deutschland?
Nein, wollen wir nicht. Aber wollen wir auf Jahrzehnte hinweg die Haushaltsdefizite von Staaten wie Griechenland aus dem deutschen Haushalt decken, die absehbar innerhalb des Euro nicht mehr wettbewerbsfähig werden – mit unabsehbaren Risiken für unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze in Deutschland? Wollen wir die wirtschaftliche Basis des Euro mutwillig zerstören?
Oder wollen wir ein gemeinsames Europa liberaler Prägung, das Deutschland in Zeiten der Globalisierung eine Stimme und Gewicht in der Welt gibt und gleichzeitig unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze sichert?
Genau das wollen wir. Deswegen ist der Antrag A – wie es Angela Merkel formulieren würde – „alternativlos„. Und ein gemeinsames Europa liberaler Prägung verträgt keinen institutionalisierten ESM, …
- … der selbst nicht beklagbar ist, dessen Entscheidungen weder von Parlamenten, noch Regierungen oder Gerichten angefochten werden können.
- … der selbst hingegen alle Staaten in Europa verklagen kann.
- … dessen Mitarbeiter der Immunität unterliegen und deshalb für alles, was sie im Rahmen ihrer Tätigkeit für den ESM machen, in keiner Form belangt werden können.
- … dessen Entscheidungen von einem Gouverneursrat getroffen werden, dessen Vertreter von der Bundesregierung entsandt wird und der dank seiner Immunität auf keine Entscheidung des Bundestages verpflichtet werden kann.
- … dessen gesamte Dokumente unverletzlich sind und der sich auf dieser Weise jeder Kontrolle seiner Arbeit entziehen kann.
- … der durch eigene Steuergesetzgebung für seine Mitarbeiter und die Einziehung dieser Steuern zu eigenen Gunsten dokumentiert, dass er einen Überstaat innerhalb der Eurozone darstellt.
- … der über den unkontrollierbaren Gouverneursrat ohne Einflussmöglichkeit nationaler Parlamente sein Grundkapital zu Lasten der teilnehmenden Staaten erhöhen kann, wenn er das als notwenig ansieht.
- … der letztendlich die handelnden Personen über fast jedes Recht stellt und damit vormärzliche Strukturen einführt.
Das ist kein gemeinsames Europa liberaler Prägung, das ist ein Europa, dass sich die Regierungen zur Beute gemacht haben.
Ich habe in meiner Rede zum Ende des Parteitags noch einmal deutlich gemacht, dass wir den ESM liberal mit gestalten wollen und können, wenn wir uns dieser Verantwortung nicht verweigern. Auch beim Vorgänger-Werkzeug des ESM, bei der „EFSF“, war uns ja gelungen, liberale Werte umzusetzen, wie etwa den Parlamentsvorbehalt und die Möglichkeit einer geordneten Staateninsolvenz.
Beim Vorgänger-Werkzeug ESM haben uns die Vertreter der FDP zunächst zugesichert, dass die EFSF in ihrer ersten Ausbaustufe so ausreichend gestaltet sei, dass sie die Märkte in einen Maße beruhigen würde, dass niemand darunter schlüpfen werden. Dafür hat diese Ausbaustufe nicht gereicht – und auch nicht als Rettungsschirm. Also wurde die „Stärkung“ der EFSF beschlossen – mit der Zusage, das Volumen sei ausreichend und eine Hebelung werde auf keinen Fall vorgenommen. Wie Frank Schäffler richtig vorhersagte, war die Tinte unter dem Vertrag noch nicht einmal trocken, als der notdürftig als „Versicherung“ getarnte Hebel auch von der FDP unterstützt wurde. Und jetzt wollen Sie den Bürgern und Mitgliedern den ESM schmackhaft machen, der über nicht mehr finanzielle Schlagkraft verfügt und dazu vormärzliche Strukturen implementiert. Dieser ist schlicht anti-liberal.
Der Entwurf eines ESM-Vertrags liegt vor. So ehrenwert Ihr Ansinnen ist, diesen ESM noch gestalten zu wollen: Einer Fraktion, die bereits damit überfordert war, einen belastbaren Koalitionsvertrag auszuhandeln, der traue ich schlichtweg nicht zu, der deutlich schwereren Aufgabe gerecht zu werden, sämtliche illiberalen Punkte aus dem ESM herauszuverhandeln. Genau an diesem Punkt wäre für Sie die Demut angemessen, von der Sie nach der Berlin-Wahl gesprochen haben.
Ich bin überzeugt: wenn wir jetzt klug und besonnen handeln, wird Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen. Wir setzen Regeln und Sanktionen durch, die unsere gemeinsame Währung stabilisieren. Während wir einerseits Brandmauern um Finanzmärkte herum errichten, um Arbeitsplätze in der Realwirtschaft zu schützen, machen wir andererseits eine geordnete Staateninsolvenz möglich, damit die unverantwortliche Schuldenpolitik einzelner Euro-Länder nie wieder die Stabilität unseres gemeinsamen Hauses Europa bedrohen kann. Als einzige Partei stehen wir entschlossen gegen eine Politik, der nur die Notenpresse einfällt, um die Schuldenkrise zu lösen, und für eine Politik, die den Bau an einem wirtschaftlich starken, stabilen und demokratischen Europa fortsetzt. Das ist nicht immer populär, aber es ist richtig. Als deutsche Regierungspartei prägen wir damit bereits heute eine neue Kultur der Stabilität, der fiskalischen Verantwortung und der Generationengerechtigkeit in Europa.
Ich bin überzeugt: wenn wir jetzt klug, besonnen und mutig handeln, wird Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen. Wie allerdings eine Bundesregierung glaubhaft Regeln und Sanktionen durchsetzen möchte, die sich selbst für den Haushalt 2012 feiert, der mit 83 % Gesamtverschuldung das Maastricht-Kriterium von 60 % mehr als deutlich reißt, erschließt sich mir nicht. Wenn eine Bundesregierung erst die Brandmauer „No-Bailout-Klausel“ einreißt und dann mitten in der Feuersbrunst davon fabuliert, neue Brandmauern zu errichten, dann mag das alles mögliche sein – glaubhaft ist es nicht. Wenn eine Bundesregierung auf die mögliche Insolvenz des wirtschaftlich – mit Verlaub – unbedeutenden Griechenlands mit einer derartigen Panik reagiert, dann ist ihr schlichtweg nicht zuzutrauen, eine wie auch immer geartete Staatsinsolvenz für möglicherweise wirtschaftlich potentere Staaten in Europa zu ermöglichen. Wie Sie sich zu der Formulierung versteigen können, die FDP präge „damit bereits heute eine neue Kultur der Stabilität, der fiskalischen Verantwortung und der Generationengerechtigkeit in Europa„, können vermutlich nicht einmal Sie selbst erklären.
Ich bitte Sie herzlich, beim Mitgliederentscheid abzustimmen. Wir Liberale haben als einzige Partei die Möglichkeit eines Mitgliederentscheids. Das zeigt die liberale Grundhaltung, auch bei schwierigen Entscheidungen konstruktiv zu diskutieren, wo andere Parteien streiten. Ich bitte Sie, diese Chance zu nutzen, um den Antrag des Bundesvorstands, Antrag B, mit Ihrer Stimme zu unterstützen. Sie machen so deutlich, dass die FDP Europas Zukunft einen liberalen Stempel aufprägen soll.
Erste Anmerkung: Dieser Mitgliederentscheid wurde gegen den entschiedenen Widerstand der Bundesführung von rund 3.800 Mitgliedern erzwungen, zu denen auch ich gehört habe. Darauf bin ich stolz. Sie sollten ihn jedoch nicht wie eine Monstranz vor sich hertragen. Sie haben ihn nicht gewollt.
Zweite Anmerkung: Ich habe abgestimmt. Genau aus den Gründen, die Sie genannt haben, habe ich für Antrag A gestimmt.
Ich hoffe, dass möglichst viele Mitglieder erkennen, dass beim Antrag B Verpackung und Inhalt nicht übereinstimmen. Dann hätte die Selbstdenker-Kampagne der FDP tatsächlich Erfolg gehabt. Dann hätten Europa, der Euro und die FDP noch eine gute Chance.
[…]
Mit freundlichen GrüßenIhr
Christian Lindner, MdB
Generalsekretär der FDP
Glückauf!
Ihr
Oliver Fink, Mitglied
Wahlkämpfer 2009
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