Jan 062012
 

Heute haben sich die Vorstandsmitglieder der FDP Eckernförde-Schlei-Ostsee sowie die Parteimitglieder der FDP-Ratsfraktion Eckernförde in einem offenen Brief hinsichtlich der Lage der FDP und dem Umgang mit dem Mitgliederentscheid an den Bundesvorsitzenden Dr. Philipp Rösler und an Rainer Brüderle als Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion gewandt:

Sehr geehrter Herr Dr. Rösler,
sehr geehrter Herr Brüderle,

der Dreikönigstag ist traditionell ein Tag der Liberalen. Deshalb wenden wir uns heute mit diesem offenen Brief an Sie, weil wir uns ernsthaft um den Liberalismus im Allgemeinen und die FDP als letzter Partei mit liberalem Anspruch im Besonderen sorgen.

Anlass dieses Schreibens sind die überaus unbefriedigende Bilanz der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen seit der Wahl 2009 sowie der Ablauf des Mitgliederentscheids zur Euro-„Rettung“. Gut zusammengefasst ist die Situation in den Worten des sächsischen FDP-Vorsitzenden Holger Zastrow: „Der Lächerlichkeitsgrad, den wir erreicht haben, verschlägt mir den Atem.“ Diese Einschätzung teilen wir.

Besagte Lächerlichkeit ist weniger dem zunehmenden öffentlich wahrnehmbaren Protest aus den Parteigliederungen geschuldet, als vielmehr der Leistung unserer Bundesminister, der Bundestagsfraktion und des Bundesvorstandes. Die von dort immer wieder eingeforderte Geschlossenheit unserer Partei kann nur dann entstehen, wenn an den genannten Stellen endlich das umgesetzt wird, was tausende Parteimitglieder auf kommunaler Ebene ehrenamtlich leisten: mit Herz, Verstand und geradem Rücken für die liberale Sache einzutreten.

Seit 2009 stellt die FDP mit 93 Abgeordneten rund ein Drittel der Abgeordneten der Koalition aus CDU, FDP und CSU. Dass man auf dieser Basis nicht allein die Politik der Bundesregierung bestimmen kann, ist uns klar. Die Erwartung, dass man in dieser Situation mindestens ein Drittel liberale Handschrift in Gesetzen und Verordnungen deutlich erkennen kann, halten wir hingegen für nicht überzogen.

Die Ursache des Defizits an liberalem Regierungshandeln liegt unter anderem im schlampig verhandelten Koalitionsvertrag. Das wird uns Schleswig-Holsteinern umso deutlicher, weil zeitgleich zu den Koalitionsverhandlungen in Berlin ebensolche in Kiel stattfanden. Hier haben Jürgen Koppelin und Wolfgang Kubicki bewiesen, wie man mit Kompetenz, Konsequenz und Haltung einen guten Koalitionsvertrag abschließen kann – so gut, dass dieser Koalitionsvertrag beiden Partnern Freiraum zur Profilierung lässt und trotz einer Einstimmenmehrheit eine stabile Regierung garantiert. Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene hingegen ist windelweich und die einzelnen Parteien fühlen sich seinem Inhalt nicht verpflichtet.

Gerade die FDP sollte aber auf die Einhaltung dieses Vertrages und der vereinbarten Ziele drängen. Es darf vor allem nicht angehen, dass sie sich immer wieder von Finanzminister Schäuble vorführen lässt. Unsere Partei ist im Wahlkampf 2009 hauptsächlich mit den Slogans „Mehr Netto vom Brutto.“ und „Einfach. Niedrig. Gerecht.“ wahrgenommen worden. Diese inhaltliche Verengung mag man mit einigem Recht kritisieren, aber sie war schlussendlich sehr erfolgreich. Die Union und ihr Finanzminister sorgen seitdem mit ihrer Taktik nicht nur für die Enttäuschung unserer Wähler, sondern sie untergraben nachhaltig die Glaubwürdigkeit unserer Partei. Wir vermissen deshalb vor allem ernsthaften Widerstand gegen diese Bestrebungen.

Dennoch berichtet die Presse gerade in den letzten Tagen über kleinere Entlastungen der Bürger ab diesem Jahr, die nicht dem Bereich der Steuern zuzurechnen sind. Wir sollten der Versuchung widerstehen, das bereits als großen Erfolg zu verkaufen. Es handelt sich vielmehr um einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. Dieser sollte Ansporn sein, wenigstens Verbesserungen im Rahmen der Steuervereinfachung und der Steuergerechtigkeit zu erreichen, wenn für Steuersenkungen schon kein Spielraum besteht. Allerdings erlauben wir uns schon, zu fragen, weshalb unsere versammelten Steuerexperten bei der Aufstellung des Wahlprogramms 2009 Möglichkeiten zur Steuersenkung errechnet hatten, die plötzlich ab Oktober 2009 nicht mehr finanzierbar gewesen sein sollten.

Überaus wichtig ist es nach unserer Überzeugung, dass die FDP die Verteidigung der Bürgerrechte nicht aufgibt, indem sie ihre Justizministerin ein zweites Mal nach dem „Großen Lauschangriff“ hängen lässt. Mit einigem Erstaunen nehmen wir deshalb zur Kenntnis, dass niemand aus dem Bundesvorstand öffentlich Jörg-Uwe Hahn energisch widerspricht und zur Ordnung ruft, der nun auch noch bei der Vorratsdatenspeicherung vor der Union einknicken möchte.

In Schleswig-Holstein findet im Mai dieses Jahres eine Landtagswahl statt. Das treffende Zitat hierzu kommt von Wolfgang Kubicki: „Wir haben uns in Schleswig-Holstein daran gewöhnt, dass wir den Wettlauf zur Landtagswahl 2012 mit der Bleiweste aus Berlin bestehen müssen; dass wir jetzt noch Betonfüße kriegen, macht die Sache nicht einfacher.“ Das ist umso bitterer, als die Landesregierung trotz ihrer knappen Mehrheit insgesamt einen außerordentlich guten Job macht.

Wir erwarten zumindest, dass uns aus Berlin in den nächsten Monaten nicht noch weitere Lasten aufgebürdet werden. So vermessen, dass wir Rückenwind erwarten, sind wir schon nicht mehr. Aber wenn wir einen Wunsch äußern dürften: Bleiben Sie in Berlin! Versuchen Sie dort, Ihre Arbeit zu machen. Alles, was hier getan werden kann und muss, schaffen wir besser allein.

Denn wir haben beim Mitgliederentscheid gelernt, was wir von Ihnen zu erwarten haben. Da wir größtenteils zu den Unterstützern des Antrags A gehört haben, durften wir uns von unserer eigenen Parteiführung als Antieuropäer und Deutschnationale verunglimpfen lassen. Anstelle von Sachauseinandersetzungen mussten wir erleben, wie der Parteivorsitzende das Vorwort der elde mit den Wahlunterlagen missbrauchte, um an einer Stelle, wo Neutralität gefragt gewesen wäre, unverblümt Werbung für seine Position zu betreiben. Und wir mussten ertragen, dass derselbe Parteivorsitzende vor offiziellem Abschluss des Wahlvorgangs ein Ergebnis verkündete sowie zusammen mit Daniel Bahr und Anderen nach dem offiziellen Ergebnis noch einmal gegen die Unterstützer von Antrag A nachtrat. Wie möchte diese Partei glaubhaft für bürgerliche Tugenden und Werte eintreten, welche die eigene Führung mit Füßen tritt?

Demokraten müssen akzeptieren, in einer Wahl zu unterliegen. Was sie nicht akzeptieren müssen, ist die Behauptung, die Nichtwähler hätten die Position des Vorstands unterstützt. Vielmehr ist es so, dass trotz massiver Werbung für den Antrag des Bundesvorstandes weniger als 17 Prozent der Mitglieder seiner Position gefolgt sind. 83 Prozent der Mitglieder tragen entweder diese Position nicht mit oder haben sich bereits soweit von Europa abgewandt, dass sie völlig uninteressiert waren.

Wir hätten erwartet, dass die Parteiführung dadurch alarmiert wäre. Doch stattdessen unternimmt sie den Versuch, dieses Desaster als Erfolg der eigenen Arbeit zu verkaufen. Uns hingegen liegt etwas an Europa, am Liberalismus und an der FDP. Deshalb haben wir uns entschieden, nicht länger zu schweigen, sondern unser Wort zu erheben. Wir werden nicht locker lassen! Wir werden beispielsweise verfolgen, wie künftig die Gläubigerbeteiligung bei der Euro-„Rettung“ erfolgen soll, die Sie mit Ihrem eigenen Antrag B versprachen. Wir werden einen Bruch dieser Zusage laut und vernehmlich kritisieren. Und wir werden uns künftig mehr einmischen.

Zum Abschluss noch eine Bitte: Verschonen Sie uns und die Bürger vor weiteren ebenso markigen wie inhaltsleeren Worten der Art „Ab heute wird geliefert!“ Ebenso behelligen Sie uns bitte nicht weiter mit peinlich aufgeblasenen Jubelmeldungen bei jedem winzigen Fortschritt. Wir wären schon zufrieden, wenn Sie sich einfach endlich nachdrücklich und glaubhaft dafür einsetzen würden, dass das Bundestagswahlprogramm und das Liberale Sparbuch umgesetzt werden. Dann könnten sich vielleicht doch noch einige von uns finden, die sich zur Bundestagswahl 2013 an den Wahlkampfstand stellen. Nach aktueller Lage der Dinge sieht es danach eher nicht aus.

Wir erwarten nicht, dass Sie auf unseren Brief antworten. Was wir aber erwarten, ist eine deutliche Änderung des Auftretens und der Arbeitsauffassung von Bundesministern, Bundesvorstand und Bundestagsfraktion. Das wäre uns schon Reaktion genug.

Mit freundlichen Grüßen,

Torsten Gebhardt, Ortsvorsitzender
Lars Seemann, Stellvertretender Ortsvorsitzender und Ratsherr
Wolfgang Bachor, Schatzmeister
Dr. Matthias Beste, Schriftführer
Oliver Fink, Vertreter der Ratsfraktion und Fraktionsvorsitzender
Matthias Greiner, Beisitzer
Markus Waßmann, Beisitzer
Susanne Molt, Mitglied der Ratsfraktion

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