Jul 132012
 

Es ist schon ziemlich starker Tobak, wie sich Klaus von Dohnanyi heute im Kommentar des Handelsblattes außerhalb der Verfassung stellt:

Das Bundesverfassungsgericht soll das Volk auf den Pfad verfassungsgemäßer Tugenden führen. Doch es steht stets im Konflikt zwischen Politik und Rechtswissenschaft und muss nun in seine Grenzen gewiesen werden.

Das Bundesverfassungsgericht weist selbst andere in Grenzen und wird in einem Rechtsstaat nicht in Grenzen gewiesen.

Polarisiert mit verfassungsfeindlichen Aussagen: Klaus von Dohnanyi
(Foto: Udo Grimberg, CC BY-SA 3.0)

Nach den Erfahrungen der Nazidiktatur sollte es die Verfassung notfalls auch vor dem Zugriff einer „demokratisch“ gewählten Mehrheit schützen. Doch das ist heute keine Gefahr!

Öh, doch. Nämlich genau dann, wenn die Grundlagen unserer parlamentarischen Demokratie ausgehöhlt werden, beispielsweise wenn das Parlament sein Königsrecht Haushalt unwiderruflich an eine demokratisch nicht legitimierte Institution namens ESM abtritt.

Auch unsere Demokratie kennt eigentlich nur einen Souverän: das Volk.

Super. Dann können wir ja zur Volksabstimmung über ESM und Fiskalpakt schreiten. Ich bin dabei.

„Die Bürger sollen nicht eines Tages aufwachen und feststellen, dass die Parlamentarier, die sie gewählt haben, nichts mehr zu entscheiden haben.“ Nichts mehr? Besteht diese Gefahr wirklich?

Nichts mehr? Nein, die unwichtigen Dinge dürfen die Parlamentarier auch künftig entscheiden. Aber nicht mehr darüber, wofür das Geld der deutschen Steuerzahler ausgegeben wird. Denn der Parlamentsvorbehalt für den ESM – soviel müsste ein ehrlicher Klaus von Dohnanyi schon eingestehen – besteht nur auf dem Papier. Und noch einmal zum mitmeißeln: Die Entscheidung über den Bundeshaushalt ist das Königsrecht des Bundestages. Ohne dieses Recht wäre er ein anderes Parlament – das einer Bananenrepublik.

Ach, hätte sich doch das Gericht zu Beginn seiner Praxis den Grundsätzen der „political questions“ gebeugt und die Politik der Politik überlassen, wie von vielen Kritikern schon früh gefordert.

Zum Glück hat es das nicht getan. Weshalb fordert Klaus von Dohnanyi nicht konsequenterweise die Abschaffung des Bundesverfassungsgerichts, wenn ihn schon erregt, dass es seiner Aufgabe nachkommt – der Überprüfung der Einhaltung der Verfassung? Wer vom Bundesverfassungsgericht fordert, es möge sein Herz über die Hürde werfen (Helmut Schmidt) oder Grundsätze der „political questions“ berücksichtigen, der möchte das Gleichgewicht von Checks and Balances in unserem Lande massiv verändern. Der will also an den Grundsätzen unserer Staatsgemeinschaft rütteln. Der will also auch – ganz deutlich formuliert – ein anderes Deutschland. Dann soll er das auch so sagen.

Der Bundespräsident kann, sollte die Krise sich zuspitzen, nach seinem Eid unterzeichnen und das Gericht aus seinem historischen Dilemma erlösen.

Genau das ist die Befürchtung gewesen: Die Regierung könnte sich durch schnelle Umsetzung einem Urteil über die Verfassungsmäßigkeit entziehen. So, wie der Schwarzfahrer schnell noch aussteigt, wenn er den Kontrolleur einsteigen sieht. Klaus von Dohnanyi ist ein politischer Schwarzfahrer. Und das ist noch die netteste Formulierung, die man anbringen kann.

Kommentare sind derzeit nicht möglich.