Die WELT berichtet heute unter der Überschrift »Forscher werfen Lehrern „Alltagsrassismus“ vor« über die Situation von Schülern ausländischer Herkunft an deutschen Schulen. Eigentlich zeigt dieser Bericht, wie gut die zitierten Eltern in zwischen integriert sind. Denn im Zweifel sind immer die Schulen, die Lehrer, die Politik, die Gesellschaft oder die allgemeinen Umstände schuld – also die Anderen. Zumindest damit sind sie schon einmal in der deutschen Der-Staat-muss-das-regeln-Gesellschaft angekommen.
Aber schauen wir inhaltlich ein wenig tiefer in den Artikel: Drei Schüler arabischer und türkischer Herkunft wurden demnach nach dem ersten Jahr auf einem Berliner Gymnasium nicht versetzt. Dass muss nach Ansicht ihrer Eltern in jedem Fall daran liegen, dass das deutsche Schulsystem Kinder nichtdeutscher Herkunft benachteilige. Diese Kritik ist natürlich noch nicht griffig genug. Deswegen behaupten die unvermeidlichen „Soziologen und Integrationsforscher“ sogleich, es trage darüber hinaus Züge eines latent vorhandenen Alltagsrassismus. Und selbstverständlich sei damit in Deutschland auch keine Bildungsgerechtigkeit in Deutschland gegeben.
Auf dieser Grundlage fechten die Eltern die Nichtversetzung gerichtlich an. Begründung:
Sie behaupten, die schulische Leistung ihrer Kinder sei auch darauf zurückzuführen, dass die Klasse fast ausschließlich aus Schülern nicht deutscher Herkunft bestanden habe.
Nun kann man es ja verwunderlich finden, dass die Eltern ausländischer Schüler es vermeiden möchten, dass ihre Kinder mit zu vielen (Was immer das sein mag!) ausländischen Kindern gemeinsam eine Schulklasse besuchen. Man stelle sich einmal vor, welche Vorwürfe deutschen Eltern bei vergleichbaren Forderungen entgegen geschleudert würden. Ausländerfeindlichkeit wäre wohl noch der mildeste davon. Lässt man diesen Gedanken beiseite, dann erscheinen einem die Forderungen allerdings nicht völlig unlogisch. Denn zum erlernen der deutschen Sprache und zur Förderung der Integration ist die geschilderte Situation bestimmt nicht hilfreich.
Problematischer wird es allerdings in diesem Zusammenhang mit dem Vorwurf des Rassismus. Denn was auf den ersten Blick so aussieht, als hätten die Schule oder deutsche Eltern eine Art Ghettoisierung der ausländischen Schüler betrieben, klärt sich bei genauerem Hinschauen aus plausibel begründet auf:
Nun hatte die Schule die Klassen allerdings nicht nach ethnischer Herkunft eingerichtet, sondern wie üblich als Kriterien der Wahl der zweiten Fremdsprache und der Religionszugehörigkeit herangezogen, bestätigte Ilius.
Demnach wurden die Schüler, die Latein als 2. Fremdsprache wählten, in einer Klasse zusammengefasst. Außerdem habe die Schule Rücksicht auf Schülerwünsche genommen, die mit den Klassenkameraden aus der Grundschulzeit zusammenbleiben wollten.
Gerade letzteres geht natürlich überhaupt nicht:
„Diese Art der Klasseneinteilung ist eine indirekte Form der Diskriminierung“, sagte [der Anwalt der Familien, Carsten Ilius,] und begründete diese Ansicht unter anderem mit dem Argument: „Arabischstämmige Schüler wählen nach Aussage des Schulleiters so gut wie nie Latein, türkeistämmige Schüler nur ganz selten.“ So wirke allein das Fremdsprachen-Kriterium segregierend – also trennend.
Das ist natürlich ausgemachter Unsinn. Als sei es weltweit außerhalb von Deutschland üblich, dass sich die Schulsysteme der Staaten danach richten, welche Bildungsschwerpunkte ausländische Schüler setzen. Als wäre es darüber hinaus völlig unlogisch, das Bildungssystem danach auszurichten, dass pädagogische Ziele optimal erreicht oder gar der organisatorische Ablauf möglichst optimal gestaltet werden kann.
Aber damit noch nicht genug. Danach geht es um die Lehrkräfte:
[Juliane Karakayali, Soziologie-Professorin an der Evangelischen Hochschule Berlin,] sprach von „negativen Einstellungen“ der Lehrerinnen und Lehrer gegenüber Kindern mit Migrationshintergrund. Sie behinderten auf diese Weise den Lernerfolg der Kinder, deren Verhalten sie vor allem als Ausdruck einer „fremden Kultur“ wahrnähmen.
Dieser äußerst differenzierte Beitrag ordnet dann gleich einmal alle Lehrkräfte pauschal in die Schublade „latent ausländerfeindlich“ ein. Nun mag es solche Lehrkräfte durchaus geben, womöglich auch in größerer Zahl als man gemeinhin annimmt. Ebenso könnte es allerdings auch angehen, dass es in größerer Zahl, als gemeinhin eingestanden wird, Probleme mit der Ansprache und Einbindung der Eltern ausländischer Schüler gibt, die sich wenig oder zumindest nicht genügend Mühe geben, sich zu integrieren und auf die Verhaltens- und Lebensweisen sowie der zugehörigen Anforderungen ihrer neuen Heimat einzustellen. Damit nicht genug:
Kinder mit Migrationshintergrund würden häufig weniger gefördert und erhielten bei gleicher Leistung schlechtere Noten.
Ich weiß nicht, wie sich die Situation in Berlin darstellt. Seit der Einschulung meiner großen Tochter im Jahr 2003 in Eckernförde kenne ich jedoch an der Grundschule die Fördermaßnahme „Deutsch als Zweitsprache“ (DAZ), die allen fremdsprachigen Kindern zugute kommt.
Selbstverständlich ist in solch einem Artikel das Schlagwort „Segregation“ unvermeidlich. Dazu zitiert der Artikel aus einer Studie mit dem Titel „Segregation an deutschen Schulen“:
Knapp 70 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund „besuchen bereits im Grundschulalter eine Schule, an der mehrheitlich Kinder nicht deutscher Herkunft lesen und schreiben lernen“. Nicht nur „die ungünstigen familiären Lernvoraussetzungen“, auch „ihre oft lernschwachen Mitschüler“ hemmten den Lernerfolg dieser Kinder.
Was stellen sich die Autoren der Studie denn vor? Nimmt man das über Jahrzehnte propagierte Konzept „Kurze Beine – kurze Wege“ für Grundschüler nur halbwegs ernst, wäre eine logische Konsequenz, die Zusammensetzung von Kiezen anzupassen. Denn die Zusammensetzung von Grundschulklassen ergibt sich in der Regel aus den Einzugsbereichen der Grundschulen – selbst bei freier Schulwahl. Aus der freien Schulwahl resultiert allerhöchstens die Tatsache, dass Eltern, denen es möglich ist, ihre – in der Regel deutschsprachigen – Kinder aus „Problemschulen“ in Schulen besserer Reputation transportieren. Faktisch könnte man der kritisierten Entwicklung vermutlich nur mit Zwangsumsiedlungen und der Aufhebung freier Schulwahl begegnen – also mit Rezepten, die eines freien Rechtsstaats unwürdig sind.
Abschließend heißt es in dem Artikel:
[Der Integrationswissenschaftler Haci-Halil Uslucan] appellierte an die Schulen, stärker auf die Bedürfnisse der Kinder mit Migrationshintergrund einzugehen. „Schüler passen ihre Leistungen oft dem Niveau ihrer Umgebung an“ sagte er. Gerade in Klassen mit hohem Migrantenanteil aber würden die Anforderungen oftmals abgesenkt und gute Schüler nicht richtig gefordert.
Dieses Problem stellt sich nicht nur Kindern ausländischer Herkunft.
Fazit: Insgesamt beschreibt der genannte Artikel schon einige Probleme des hiesigen Schulsystems. Allerdings leiden unter den genannten Problemen durchaus auch deutsche Kinder. Genannt seien unter anderem Kinder von Eltern, die an Kevin- oder Chantalismus leiden. Vor allem aber vermisse ich den Hinweis auf die Verantwortung der Eltern und Schüler sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Eine einfache und praktische Lösung wäre es ja gewesen, wenn sich in dem geschilderten Fall die entsprechenden Schüler entschieden hätten, zur Erlangung des von ihren Eltern bevorzugten Lernumfelds, einfach den lateinischen Sprachzweig zu wählen. Womöglich hätte man sich dann allerdings in einer Sprache, die einem nicht so sehr zusagt, ein wenig anstrengen müssen. Viel einfacher ist es allerdings, vom Staat eine Lösung einzufordern und von Rassismus zu faseln. Denn Schuld an den eigenen Problemen sind natürlich immer die Anderen oder die Umstände – aber nie man selbst. Insofern – hier wiederhole ich mich – scheint die Integration in die deutsche Gesellschaft schon fast perfekt gelungen.
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