Manchmal werden Aussagen von Politikern in der Presse bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Dann versuchen sie, sich um eine Richtigstellung zu bemühen. Manchmal gelingt das. Manchmal geht das allerdings auch in die Hose. Ich denke, bei Hans-Ulrich Rülke ist letzteres passiert. Auf Facebook schreibt er:
Leider wurde meine Aussage von der Presse verkürzt dargestellt, weshalb es wohl einer Klarstellung an dieser Stelle bedarf. Es ging nicht um die Bewertung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften im Vergleich zu heterosexuellen Partnerschaften. Dieses Missverständnis ist vermutlich vor dem Hintergrund der Hitzelsberger-Debatte entstanden. Die Frage der Lebensform hat zunächst wenig mit der Frage der sexuellen Orientierung zu tun. Es gibt Menschen, die alleine leben und heterosexuelle Paare, die sich gegen das Kind entscheiden. Meine Fraktion und ich akzeptieren und tolerieren diese Lebensformen ebenso wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften.
Die Gesellschaft muss aber ein Interesse daran haben, dass Kinder geboren werden und sich in einem behüteten Umfeld entwickeln können. Deshalb ist die Familie im gesellschaftlichen Sinne die wertvollste Lebensform. Eine Familie kann auch aus zwei Vätern oder zwei Müttern und Kind oder Kindern bestehen.
Es ging also um die Bewertung der Familie im Vergleich zu Lebensformen ohne Kinder.
Aus der Nummer der Homophobie versucht der FDP/DVP-Fraktionsvorsitzende im Baden-Württembergischen Landtag elegant herauszukommen, indem er einfach den Begriff der „Familie“ zu „Eltern mit Kindern“ definiert. Das ist in der Tat eine Definition, in der sich wohl die meisten Liberalen wiederfinden können. So weit, so gut, mag man meinen.
Als Liberaler störe ich mich allerdings massiv an der Formulierung „Deshalb ist die Familie im gesellschaftlichen Sinne die wertvollste Lebensform.“ Ich finde, zum liberalen Weltbild gehört, dass ich Anderen zugestehe, ihr Leben nach eigenen Maßstäben zu leben. Entscheidend dabei ist für mich, dass diese Maßstäbe nicht meinem Werturteil unterliegen, solange sie nicht in die Maßstäbe meiner eigenen Lebensführung eingreifen. Eine Wertung der Lebensführung steht mir dabei nicht zu, schon gar nicht ein Ranking nach dem Grad ihres „wertvollen“ Beitrags zur Gesellschaft.
Ob ich als Single oder als Paar, ob ich mit oder ohne Kinder an der Gesellschaft teilhabe, geht die Gesellschaft und ihre Protagonisten erst einmal überhaupt nichts an. Ist die Gesellschaft so aufgesetzt, dass ich für die Gesellschaft wertvoller bin, wenn ich Kinder habe, dann ist das primär ein Problem der Gesellschaft und nicht meines. Zur Lösung dieses Problems darf die Gesellschaft sich gern selbst anders organisieren. Was sie hingegen nicht verlangen kann, ist eine Änderung des Lebensmodells ihrer Mitglieder.
Die Aufgabe von Liberalen ist es, das Individuum gegen unberechtigte Ansprüche der Gesellschaft zu verteidigen. Ein FDP-Fraktionsvorsitzender, der solche unberechtigten Ansprüche hingegen formuliert und vertritt, anstatt seiner Aufgabe nachzukommen, muss sich ernsthaft fragen lassen, welche liberale Denkrichtung er doch gleich vertritt.
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